Faßberg/Müden (Örtze) - Hermannsburg/Dehningshof
(21,4 km - 160 Hm auf - 150 Hm ab)Im Gegensatz zu den letzten beiden Nächten war das Zimmer im Erdgeschoß der Jugendherberge mitten im Wald herrlich kühl und das nicht so richtig bald mögliche Frühstück bei einer Etappe um die 20 Kilometer erlaubte einen gemütlichen Start in den Tag.
Durch den Hinterausgang stehle ich mich davon und stehe nach 30 Metern wieder direkt auf dem E1 am Fluß, wo ich am Vorabend direkt auf's Gelände gelangt war.
Besser "am Weg" geht quasi nicht.
Ein traumhafter Pfad durch den Wald führt gen Süden und immer mal wieder sieht man die Böschung hinab zum Fluß Örtze.
Wäre ich nicht gerade erst losmarschiert, sondern kurz vor/am Ziel, wäre ich bei derartigem Sandstrand in einer lauschigen Bucht evtl. sogar schwach geworden und hätte mal die Badehose aus dem Deckelfach ausgepackt:
Kurz vor Hermannsburg geht es dann direkt zum Fluß und ich sehe, was in der heutigen Zeit hier geflößt wird:
Gerade wird auch wieder eines dieser - mir seit Jugendtagen vom Main bei Hausen suspekten Gefährte (ganz liebe Grüße an den Chiemsee an dieser Stelle ! - eine der besten Geburtstagsfeiern ever und wer zuletzt doch noch einen Fisch fängt, lacht am besten ;-) - zu Wasser gelassen.
Am Ortseingang entdecke ich dann auch gleich ein Schild, was mir aus dem E1-Wanderführer bereits bekannt vorkommt und mich im aktuellen und (hoffentlich) auch späteren Kontext an einen großen Nürnberger Wurstfabrikanten (der aber eher aus südlicheren Gefilden bekannt ist) erinnert: "DAS war's noch nicht !" (O-Ton)
In Hermannsburg war ich zuletzt vor mehr als 35 Jahren. Manche (viele würden jetzt sagen unnütze) Dinge sind mir aber auch nach den paar Jahren noch in Erinnerung. Zuweilen hat das dann nicht mal mit Essen zu tun ;-)
Ich gehe also einen kleinen Umweg und als ich an Hausnummer 22 stehe, erkenne ich das Haus sofort wieder, auch wenn Büsche und Bäume deutlich größer geworden sind und die Schaukel aus meiner Kindheit nicht mehr existiert.
Etwas angespannt klingle ich und Frau Kösterke öffnet. In meiner Kindheit war ich hier in der früheren Pension mit Eltern bzw. den Schneyer Großeltern ein paar Mal zu Gast, habe die Heide, den Freizeitpark Soltau, das Vogelparadies Walsrode u.ä. unsicher gemacht und letztlich wurden die anderen (Coburger) Großeltern 1985 auf die goldene Hochzeitsreise hierher geschickt.
Der mir als verschmitzt in Erinnerung gebliebene Herr Kösterke ist leider unlängst verstorben und bis zu seinem Tod mit 87 Jahren ging er Zeit seines Lebens für 10-15 Jahre jünger durch, wie mir Frau Kösterke im Gespräch erzählt, sogar bei ihrem Kennenlernen.
In mir (meine Augen und meiner Austrahlung) erkennt sie heute große Parallelen (ich hoffe, nur gute) zu ihrem Neffen, der am anderen Ende der Welt in Südostasien lebt und Corona-bedingt dieses Jahr wohl auch nicht wird auf Besuch kommen können.
Nach dem Flashback in die erste Hälfte der 1980er Jahre mache ich mich nach einer Weile wieder in Richtung meines Weges und nach Hermannsburg auf einen ganz großen Bogen (böse Zungen würden jetzt von Umweg reden) auf/durch die Heide: Durch die Misselhorner Heide gen Osten, am Tiefental vorbei südwärts und schließlich auf Angelbecksteich zu wieder nach Osten.
Am Rand der Misselhorner Heide höre ich plötzlich einen Chor. Nein, weder Thomaner noch Golden-Gospel-Singers, sondern eine vielstimmiges, ganz klares *määääh*
Ha, kurz bevor ich die Heide verlasse, sehe ich also doch noch Heidschnucken in freier Wildbahn.
Gerne hätte ich ja auch ein paar Fotos bereitsgestellt, aber da ich immer alle höflich frage, ob sie mit ihrer Ablichtung einverstanden sind, kann ich mir hier aus der Polyphonie keinen eindeutigen Reim machen. Und bevor später irgend so ein sturer Hammel mich noch vor den Kadi zieht, unterlasse ich lieber mal weitere Schritte.
Zwischendurch erinnere ich mich daran, daß in meinem Leben mir schon häufig Führungsaufgaben zugetraut wurden. Ich habe schon oft in den Spiegel gesehen und nichts dergleichen entdeckt, aber wenn die Leute meinen: In Kindertagen jedenfalls war der Heidekutschfahrer davon überzeugt, daß ich bestimmt auch ganz gut fahren könnte. 12 Jahre später bei den letzten Führerscheinfahrstunden vor der Prüfung war das dann ähnlich: "der Vorfahrfahrtstraße folgen", "die zweite links", "blinken nicht vergessen", "Achtung: mit dem Hänger bei der nächsten Kurve etwas weiter ausholen".
Das war schon ein grandioses Gefühl und da die hiesigen Pferde ja auch ein Paar Gänge weniger als Isländer haben und noch dazu ein Automatikgetriebe, mußte ich nichtmal kuppeln und konnte mich voll auf das Lenkrad -äh- die Zügel konzentrieren. Wie der Fahrlehrer den Fuß später bremsbereit, hatte der Chef nur die Hand an der Bremse und hätte bei Bedarf auch in die Lenkung eingreifen können. Lief aber alles glatt, niemand wurde seekrank, der Fahrtwind bei 2 mächtigen Pferdestärken im Anzug pfiff im Galopp um die Nase und da es in der Heide auch keine Hausecken gibt, waren auch die ersten etwas schnittig genommenen Kurven gar kein Problem :-)
Schön, mal wieder in die Heide gekommen zu sein !
Der Schlußspurt (zu Fuß) führt mich dann heute tief in den Wald zur Fuhrmannsschänke im Dehningshof.
Seit Jahrhunderten ein Gasthof und an der früheren Heerstraße Napoleons gelegen.
Traumhaus (bzw. -Hof) in ruhiger Lage könnte man sagen.
Da kann man es sich gut gehen lassen, nur mit der Telekommunikation ist das hier so eine Sache - bzw. besser gesagt: Keine Sache.
Drei Jungs aus den Niederlanden stärken sich hier auch noch (bevor sie noch ein Stück weitergehen, um irgendwo mit dem Zelt únterzukommen) und wie ich im Gespräch herausfinde, gehen sie jedes Jahr eine Tour gemeinsam. Immer eine Woche. Daß das dann eigentlich meist Touren für eher 11-14 Tage sind, sorgt eher für zusätzliche Motivation und zu weilen für lange Tage und Schnee im/am Zelt:
- West Highland Way (Schottland)
- Tour du Mont Blanc (Frankreich/Schweiz/Italien)
- Schwarzwald-Westweg
Begegnungen:
- 3 Libellen
- Frau Kösterke in Hermannsburg
- 1 Herde Heidschnucken
- 3 Holländer mit Zelt auf dem Heidschnuckenweg
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