Samstag, 16. April 2022

Tag 53: (Un)Christliche Jumbo-Etappe

 Frankfurt am Main/Hauptbahnhof - Egelsbach 
(29,6 km - 220 Hm auf - 210 Hm ab)

Um 04:45 Uhr hatte der Wecker geklingelt - welch unchristliche Zeit und das am heiligen Karfreitag und los ging's zur Anreise via Nürnberg.

Pünktlich um kurz nach 09:00 Uhr entsteige ich dann dem ICE 820 nach Essen. Mmmh, Essen, da war doch noch etwas. Bei einer kleinen Stärkung (da wird der Rucksack gleich leichter) steht allgemeines Sortieren und Präparation für einen langen Wandertag an, am Start einer Wanderung muß sich das ja immer erst ein wenig einspielen.

Apropos Spielen: Am Vorabend hatte die Frankfurter Eintracht gespielt. In Barcelona. Heimspiel ! - Nachdem auf mafiösen Wegen der Großteil der Eintrittskarten in Deutschland und die Eintracht-Fans dafür ganz in weiß (da taten sie noch ganz unschuldig) in Spanien landeten. Die Spanier erlebten ihr blaues Wunder: Die Hesse komme...

Sensationell gewannen die Frankfurter Fußballer und zogen ins Halbfinale des UEFA-Cups ein. Wie meinte die "Lichtgestalt" des deutschen Fußballs mal despektierlich: "Cup der Verlierer". Nun, wer ist diese Woche blamabel gescheitert ?

Deswegen herrscht heute Morgen nicht nur "normale" Karfreitagsstimmung, sondern kombiniert mit diesem Ereignis ist die Stadt nicht nur morgens um halb zehn in Deutschland rechtschaffen verschlafen, aber auch verkatert (im positiven Sinne) und die Stadtreinigung hat fleißig zu tun, die Überreste der (Freuden-)Feiern zu entsorgen.

Ich mag diese Stimmung des "Morgens danach" irgendwie und in Venedig kann es erfahrungsgemäß auch "der Abend/die Nacht danach" sein, erinnert sich mein Alter Ego aus 2008.

Für mich geht es erstmal gen Osten zurück auf den E1, wo ich vor sieben Monaten zum Bahnhof abgebogen war. 


Die Sonne strahlt (entgegen aller Prognosen) und der Kerl lacht :-)


Nur wenige Minuten später ist der Main erreicht, überschritten und im Rückspiegel entfernen sich die Bürotürme von Mainhattan bereits im rasanten Spaziergängertempo.


Hauptsächlich sind an diesem Morgen augenscheinlich bisher Sport-Fanatiker sich körperlich austobend unterwegs. Und ich.

Wobei wir alle ob der Überreste vom Vorabend aufpassen sollten: Da ist noch der eine oder andere Scherbenhaufen zu finden. Ich bin ja bekanntermaßen ein begeisterter Anhänger technischer (auch nicht-digitaler) und organisatorischer Lösungen (TOMs) für Alltagsprobleme. Die heutige Lösung: Richtig FESTES Schuhwerk ;-) 


Persönliche Ansprache ist zur Motivation häufig sehr hilfreich und da haben sich die Frankfurter extra für mich auch ganz schön ins Zeug gelegt:


Nun der Schilderfabrikant mag in Madagaskar gewesen sein und sämtliche "e"s seines Wort- bzw. Druckschatzes durch "a"s ersetzt haben, aber wie dem auch sei: G'schaut hat sain Kai scho'.

Anfangs bin ich (mal wieder) sehr froh, meinen GPX-Track auf dem GPS zu haben: Zielsicher werde ich durch die Frankfurter Straßen geführt, aber ein wenig verwundert bin ich ob der fehlenden Markierungen trotzdem, auch wenn üblicherweise im Städtischen weniger markiert wird.
Als ich nun (den Kindern ein Vorbild - auch wenn weder Kinder noch größere Menschen weit und breit zu sehen sind) an einer Fußgängerampel stehe und vor mich hin sinniere, fällt es mir mit dem GRÜN der Ampel wie Schuppen von den Augen:


Im Herbst war ja Bundestagswahl und die Schwarzen sind gar nicht mehr an der Macht. Anscheinend oder scheinbar hat das, die Nähe von Baden-Württemberg (hier ist bereits der Odenwaldklub für die Markierung verantwortlich) oder was auch immer nicht nur zu einem Umdenken, sondern auch zu einem Ummarkieren geführt: Statt weißem Kreuz auf schwarzem Grund, herrscht hier nun grünes Kreuz auf weißem Grund vor.

Die Speichereinstellungen für meine Standard-Suchmuster werden umgehend aktualisiert, denn der Kopf ist ja sprichwörtlich rund, damit das Denken auch mal seine Richtung ändern kann.
Und OHNE Richtungswechsel würden böse Zungen ja evtl. von einer gewissen Sturheit sprechen (dabei kommen die 4 hübschen Esel in 4 unterschiedlichen Lackierungen doch erst viele Kilometer später).

Der (einzige) Hinweis zur Änderung der Markierung übrigens auch irgendwo im nirgendwo zwischendrin.  

Am Henninger Turm geht es erstmals richtig bergauf.


Stilbild mit/in (SG) Eintracht (Frankfurt):


Beim nächsten Turm in Sachsenhausen, bevor es in den Frankfurter Stadtwald und damit ins Grüne geht, wird mir schon beim Hochschauen ganz mulmig.

Und wenn ich auch nur ans Absteigen durch diese partiell freistehende Treppe im Turm denke, kommt mir sofort die Spitze des Ulmer Münsters in Gedanken und der Mageninhalt in Realität hoch. Aber jede Schwäche ist ja vielleicht für irgendetwas gut und sei es nur... aber das ist wieder eine andere Geschichte ;-)


Waren die Laubbäume im Spessart augenscheinlich noch im Winterschlaf, so ist die Natur hier schon ein ganzes Stück weiter: Der Frühling hält Einzug und die Vögel im Wald machen einen dermaßenen Lärm, daß man eigenes eigenes Wort nicht mehr versteht.


Auf dem See im Wald schwimmt auch ein ganz hübsches Pärchen durch die Gegend, hält direkt auf mich zu und bremst erst kurz vor der Kollision mit mir bzw. dem Steg auf Konfrontationskurs ab.

Nachdem ich ja weder Flora- noch Fauna-Guru bin: Kann mir da evtl. jemand weiterhelfen, um was es sich bei diesem Teil von Ente/Gans/Wolpertinger handelt ?


Apropos fragen: Sind Experten für Tiere dann Faunperten ? Faunisten ?

Ich bin vielleicht noch am ehesten Saunist, aber auch recht selten, könnte ich aber mal wieder aufwärmen.

Jetzt kommt mir bitte nicht mit "Zoologen": Das waren doch die Kinder, die bei "Wetten, daß" an Hand von Fotos die Vornamen, den Stammbaum, den Lebenslauf und das Lieblingsgericht von 911 Zootieren aufzählen konnten.
Auf Nürnberg und ähnliche Städte ohne "Zoo" (aber mit Tieren in Gefangenschaft) übertragen dann Tiergärtner oder tierGärtnerInnen ?

Ihr seht schon: Kaum geht man mal ein paar Kilometer von der Arbeit weg, schon kreisen die Gedanken in ganz anderen Sphären.

Derart abgehoben, sollte ich jetzt nur aufpassen, nicht mit Geocachern im Orbit zu kollidieren. Bevor das nun Ärger mit dem Weltraumaeffchen oder dem Kosmonauten gibt, beruhigte ich mich lieber und setze zum (geistigen) Landeanflug an.

Da bin ich gerade nicht der einzige. Ich durchschreite wohl soeben die Einflugschneise des Frankfurter Flughafens.
Junge, Junge, eines kann ich Euch sagen: Wenn so ein Jumbo (Boeing 747) Dich gefühlt als Anhaltspunkt zur Anpeilung des Touch-Downs nimmt, im steilen Sinkflug mit seinen vier dröhnenden Düsentrtiebwerken geradewegs auf Dich zukommt und Du meinst, er hat es auf Dich abgesehen, da bekommst Du schon ein wenig Angst um Dein bißchen Leben. Gerade wenn man bedenkt, daß die ältesten vor mehr als 50 Jahren vom Band "liefen" und die letzten 2022 laufen werden.

Aber bereits kurz danach hat der vielstimmige Chor der Piepmatze  wieder die Oberhand gewonnen und neben akkustischen Sinneseindrücken, kommen dann auch noch olfaktorische.
Kennt Ihr auch diesen beruhigend Geruch von Holz ?    


Nach und nach werde ich etwas unleidlich: (Mittags-)Pause gefällig, aber keine Bank weit und breit, aber dumm darf man sein, man muß sich nur zu helfen wissen: Mittels meiner Faltsitzunterlage kann selbst einer längst aufgegebenen und vermodernden Sitzanlage und dem Baumstumpf anbei nochmal (Be)Leben eingehaucht werden.

Der Volksmund sagt: Mohn macht dumm.
Nachdem ich vor 40 Jahren dem Alkohol abgeschworen habe, muß ich dem Zellwachstum eben mit (leckeren) alternativen Drogen Einhalt gebieten:


Was ich mich beim Kauf fragte: Wie können DREI Mohnbrötchen 1,16 EUR kosten ? Finde den Fehler. Evtl. zu viel Mohnkonsum jenseits der Theke ? ;-)

Soweit so schön, aber ein gutes Stück habe ich gleich noch vor mir: Auch wenn ich aus den beiden > 30km-Etappen im Führer (zusammen mit dem Prolog vom Bahnhof, würde sich das heute sogar auf die 40km-Marke zu bewegen) eher 2,5 (inkl. Prolog: drei Etappen) gemacht habe.


Der Weg ist abwechslungsreich und auch die Kunst lädt mal zum Verweilen ein.



In und durch Dreieichenhain wird es sogar noch richtig idyllisch...



Die Menschenmassen und die Schlange an der Eisdiele lassen mich allerdings schnell weitergehen.


Erst bei den possierlichen Eichhörnchen habe ich mich wieder gefaßt. 


Im Anschluß führt mich der E1 nochmal richtig ins Grüne.


Und kurz vor meinem Tagesziel darf ich dann noch mal Schmunzeln: Nicht gerade einfallsreicher Straßenname, aber treffend...


Im Hotel werde ich dann sehr herzlich empfangen:


Nur eine Sache beschäftigt mich dann noch (negativ): Wer gestaltet eigentlich Hotelzimmer ? Und welche DIS-funktionalen Kriterien geben die Maßstäbe vor ?

Ich habe mich ja immer gewundert, warum manche Tupperdosensucher meinen, mehrtägige Wander-Geocaches würden eine T(errain)- und eine D(fiffculty)-Wertung von mindestens VIER erfordern - unabhängig vom landschaftlichen Gelände.

Ja, ok, wenn man am Einstiegswandertag nach 7 Monaten vorzugsweise am Schreibtisch im etwas fortgeschrittenen Alter nach 29,6 km (< 30km q.e.d.) dann zur körperlichen Selbstreinigung derartige Hürden überwinden muß...

T4: Als ich mir die Aufstiegshilfe gebaut hatte (dumm darf man sein, man muß sich nur zu helfen wissen - you know), stand ich dann oben und war am Ende: Viel zu tief. Nicht mit meiner Höhen-/Tiefenangst vereinbar. 


D4: Dann IRGENDWIE in der Wanne angekommen, Durchvorhang zugezogen und nun finde mal den Dreck im Dunkeln !
Deckenlampen sind in Hotelzimmern ja total out. Helle Lampen auch. D.h. den Lux-Wert der Badezimmerspiegelfunzel waagrecht gerechnet auf die Entfernung, vermindert um den intransparenten Vorhang, kombiniert mit ohne Brille, da brauchst Du Augen wie ein Luchs oder ein Nachtsichtgerät oder Du darfst froh sein, daß Du alleine unterwegs bist und sich niemand über ggf. verbliebene Schmutzreste (ich bin ein sauberes Kind !) lustig machen kann. 

Schwierigkeiten, die das (wirkliche) Leben so mit sich bringt, aber was uns nicht umbringt, ...

Begegnungen:

- zwei Kanadagänse

- der obligatorische Eichelhäher

- Horden von Outdoor-Sportlern und Spaziergängern

- überdimensionales Eichhörnchen-Pärchen

- 4 hübsche Esel unterschiedlichster Farben


5 Kommentare:

  1. Stefan Behrens17 April, 2022 18:29

    Hallo Kai,
    ich bin zwar kein Experte auf dem Gebiet, meine aber, dass es sich bei dem von Dir gesichteten Vogel um eine Kanadagans handelt.
    Viele Grüße
    Stefan
    Viele

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    1. Da lästerte der nicht zu vergessende Kärntner ja immer, daß ich mir einen Norddeutschen als Norddeutschland-Kenner angelacht hatte, aber wie man sieht ist dieser Norddeutsche auch noch hilfsbereit bzgl. Nordamerkanerinnen in Mittelhessen.
      Schaut sehr treffend aus.
      Danke Stefan und auf bald im Süden,
      K2.

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  2. Heissa, es geht weiter, große Freude!

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  3. Wunderbar, schau main Kai ist wieder unterwegs. Und so wird auch meine Arbeit etwas kurzweiliger. Gut Lauf!

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    1. Derartige Zusatz-Motivation tönt immer gut. Gerade erst in einem Wegbuch von ein paar Ostschweizern auf dem Weg zum Nordkap gelesen, die hier vor 3 Tagen vorbei kamen.
      Sonnige Grüße ins Fürstentum,
      K2.

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