Schleswig - Stapel/Norderstapel
(34,2 km - 230 Hm auf - 280 Hm ab)
Heute verlasse ich die E1-Hauptroute, die nun an der Ostseeküste entlang über Kiel und Lübeck einen großen Bogen nach Osten machen würde.
In den dortigen Touristenhochburgen sind mir deutlich zu viel Leute, das mir völlig unbekannte Landesinnere reizt mich mal, 100 Kilometer/7 Tage weniger bis Hamburg sind auch ein Wort und letztlich hatte meine sowieso bereits getroffene Entscheidung ein Kunde (vielen Dank für den Rat an Herr W. aus Stuttgart an dieser Stelle), der bei seiner Begehung den Ostseeabschnitt als die einzig negative Erinnerung bis ca. Hannover noch im Kopf hatte (schweres Gehen durch den Sand; Steilküste hoch und runter; Weg bei Sturm/wegen Küstenabbrüchen teils nicht gehbar, so daß man Radwege an der Straße im Landesinnere nehmen mußte).
Ich begebe mich somit auf die West-Variante.
Unglücklicherweise war mir bereits im Vorfeld klargeworden, daß hier gleich die erste nahezu unüberwindbare Hürde lauerte und der Rat der Wiener Wanderführerautoren schon ein wenig - nun ja, sagen wir mal hinterhältig ist: Mangels Quartieroptionen auf der GESAMTEN ersten Etappe, empfehlen sie Busfahren zurück zum Ausgangspunkt oder weiter zum nächsten, um dann temporär mit festem Quartier und Logistik zu arbeiten.
Der Haken an der Sache: Die Gegend ist nicht nur so ländlich, daß es im Umkreis von knapp 20 Kilometern kein einziges Gästebett gibt (also von Verfügbarkeit noch gar nicht zu reden, sondern nur von Existenz) , sondern daß auch am gesamten Wochenende KEIN einziger Bus fährt.
Wir schreiben Sonntag :-(
Bereits zu Hause, hatte ich deshalb eine Monster-Etappe mit knapp 35 Kilometern für meinen dritten vollen Wandertag generiert und zu allem Übel regnete es morgens beim Loslaufen dann auch gleich noch.
Nach ca. 15 Minuten kam ich dann quasi vom Regen in die Traufe: STARKREGEN.
Eine geschlagene Stunde stapfte ich durch heftigen Regen, aber die neuen Schuhe und die ansonsten überwiegend meist bewährte Ausrüstung funktionierte den Umständen entsprechend, nur um Karin im Tarp machte ich mir zwischenzeitlich etwas Sorgen ...
Eigentlich sollte ich ja heute die große Mauer sehen bzw. sogar begehen.
Nein, auch nicht DIE Mauer an der innerdeutschen Grenze/Berliner bzw. Görsdorfer Mauer (Baubeginn 1961).
Aber schon irgendwie doch wieder eine innerdeutsche Mauer: Den Margarethenwall/das Dannewerk (700-1864). Jahrhundertelanges Bollwerk hier im Norden bis es im Deutsch-Dänischen Krieg von Preußen und Österreichern (so klein ist die Welt und so muß ein Franke aus Bayern, deren ungeliebten Nachbarn dankbar sein, für die dadurch mögliche Wanderung im heute) entgültig geschliffen wurde und dadurch die heutigen Grenzen Deutschlands hier in der Gegend erst ermöglichten.
Wer jetzt übrigens meint: "Egal, sowieso alles Mitteleuropa" - der irrt, quasi amtlich ganz gewaltig: Das Danewerk gilt als das größte archäologische Denkmal NORDeuropas !
Als es gilt, auf den Wall abzubiegen, entscheide ich mich dann aber gegen Gras, unbefestigte Wege und ähnliches beim aktuelle Niederschlagsgemenge und bleibe vorerst auf einem Radweg parallel zur Anlage. Dort habe ich dann noch ganz andere Herausforderungen zu meistern: Unzählige 1-2 cm kleine Frösche hüpfen sichtlich erfreut kreuz und quer durch das Naß. Ich versuche zwar redlich allen auszuweichen (und sah dabei ab und an bestimmt ziemlich deppert aus - aber wer hätte mich schon sehen sollen, bei einem Wetter, wo niemand bei Verstand auch nur einen Fuß vor die Tür setzt ?), ob bzw. inwieweit das allerdings klappte, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen.
Nachdem der Regen sich verzogen hatte bzw. fortgeblasen worden war, lasse ich Regenklamotten und Co erst noch ordentlich trockenföhnen, bevor nach insgesamt zwei Stunden Gehzeit eine kurze Pause am Krummwall angesagt ist und die Regensachen erstmal weggepackt werden können.
Kurz danach kommt mir ein Kaninchen auf dem Flurbereinigungsweg unaufgeregt entgegengehoppelt, im Schlepptau ein etwas übergewichtiger Hund. Keiner von beiden scheint mir bei dieser Pseudo-Jagd (der Hund hätte das Kaninchen NIE erwischt - nach dessen Abbiegen ins Maisfeld schon gleich gar nicht mehr) sonderlich ernst zu nehmen. Sah aus wie ein Spiel.
Ich komme mit der zum Hund gehörenden Bäuerin ins Gespräch (und durchaus länger). Charly (ein Australian Shepherd) hat's einfach nicht drauf: Als in der (Hunde-)Schule Kühe hüten dran war, hat er geschwänzt, bei Jagdkunde gepennt, bei Ernährungskunde sich fremdbeschäftigt und nun muß das Frauchen damit leben, daß er trotz ganz viel Bewegung einfach ein wenig zu dick und träge ist. Sein Problem: Das Beste was er an den Kühen findet, ist das Kraftfutter für die Kälber, was er selber gerne schnabuliert ...
Immerhin selbst die größten Schlawiner haben ja meist ein Fach, wo sie ganz gut sind: Bei ihm ist das Wachen auf Haus und Hof: Da hat er wohl mit Bravur bestanden.
Da mir noch ein langer Marsch bevorsteht, lasse ich die beiden hinter mir und genieße zwischendurch etwas die durch die Wolken spitzende Sonne. Die Realität (weiterer Regen !) sollte mich aber heute noch zwei Mal (nicht bitter, aber reichlich feucht) einholen.
Bereits nach vier Stunden habe ich das eigentlich laut Führer vorgesehene Etappenziel Dörpstedt erreicht und könnte wirklich mal eine Pause brauchen. In Unkenntnis der genauen Lage von Bushaltestellen (nicht weiter auf's GPS geschaut) halluziniere ich ohne Brille aus der Ferne bereits derart, daß ich schon ein Holz-Abhol-Holz-Häuschen für eine hölzenere Bushaltestelle mit Sitzgelegenheit halte.
An der nächsten größeren Abzweigung steht dann in der Nebenstraße allerdings WIRKLICH ein derartiges Häuschen, auch wenn alle sechs laminierten, ausgehängten Busfahrpläne nur das Mo-Fr-Dilemma bestätigen, bin ich froh für eine (trockene) Sitzgelegenheit. Das letzte Putzteam war zwar mutmaßlich irgendwann in der ersten Hälfte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hier (kann man an Spinnweben eigentlich auch irgendwie Jahresringe oder ähnliches zur Altersbestimmung abzählen ?) und die aktuellen Hauptnutzer scheinen Holzwürmer zu sein (Spänne-Volumen und der Fakt, daß ich mit der Holzbank auf der einen Seite fast ins Bodenlose abgesunken wäre (Querverstrebung wegerodiert), lassen darauf schließen).
Nach einer Stärkung geht es für mich auf die zweite Hälfte meines heutigen Marsches.
Unterwegs an einem mit Seerosen gespickten kleinen Kanal stellte ich noch fest, daß die Tiere hier im Norden genauso dumm sind, wie in den Alpen: Gerade, wenn man an ihnen vorbei ist - und sie gar nicht bemerkt hatte/hätte - DANN sorgen sie dafür, daß man sie doch sieht: Geräusch einer Ente. Größe eines Schwans. Optisch aber irgendwie ein wenig anders. Auf alle Fälle beeindruckend, der Sing-Schwan (die Täterbeschreibung wurde abends an den Spieleabend der Bodenkontrolle mit der Nach-Aachen-Flüchtigen weitergeleitet und nur wenige Minuten später konnte der Schurke identifiziert werden: Fahndungsfotos + sachdienliche Hinweise) !
Über einen HÜGEL ging es nach Bergenhusen, einem der bekanntesten Störchendörfer Deutschlands. Mehrere Dutzend Paare sollen hier in Hochzeiten brüten. Auf meinem direkten Weg durch's Dorf habe ich nur ein paar davon zu Gesicht bekommen, aber was will man mehr.
Regen wird mich nicht mehr groß behelligen, aber der weite Weg zu recht früher Zeit der Tour und noch dazu heute auf ca. 90% Asphalt/Beton/Pflaster fordern dann doch mit der Zeit ihren Tribut.
Aber mit ein wenig Traubenzucker (den hatte der Regen schon angeweicht: einerseits bekommt man die blöden Einzelverpackungen irgendwie nie richtig auf und andererseits findet das Wasser aber immer einen Weg) rette ich mich auch über die letzten Kilometer bis nach Norderstapel, wo ich etwas abseits des E1 mein letztes, von zu Hause vorgebuchtes Quartier (ein Biker-Gasthof - damit hatte ich in Österreich ja schon sehr gute Erfahrungen 2017 gemacht: gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, ordentliche Portionen, total nette/hilfsbereite Wirte und kein Problem mit Gästen, die nur 1 Nacht bleiben).
Begegnungen:
- unendliche viele kleine Frösche
- nette Bäuerin mit Charly
- ein Sing-Schwan (bronze farbener, gerader Hals, schwarze Schnabelspitze - dahinter knallgelb)
- 5 Störche auf 3 Horsten in Bergenhusen
Na immerhin gab es keinen unfreiwilligen Stapel-lauf deinerseits in den Kanal, wenn ich mir dieses Wortspiel beim angezeigten Ortsnamen erlauben darf.
AntwortenLöschenJo, ich hab mich bei dem Seitenwind manchmal auch schon in den Seerosensumpf fallen oder einem Ausrüstungsteil hinterherhechten sehen.
AntwortenLöschenHab es aber auch mal mit Pause auf einem Brückchen (wenigstens kleiner Bordstein zum Setzen) herausgefordert.
Liebe Grüße,
K2.