(23,5 km - 760 Hm auf - 780 Hm ab)
Beim Frühstück war der zweite Gast noch nicht gesprächig, aber als wir uns beim Verlassen des Domizils nochmal über den Weg laufen, erzählt der nachträglich und kurzfristig am Vorabend noch Eingelaufene von seiner Tour aus der Heimat Offenburg über den Schwarzwald zum Bodensee.
Eigentlich würde er ja gerne bis nach Südtirol, aber wegen Arthrose riet im der Orthopäde ab. Allerdings passen die Symptome wohl gar nicht zu Arthrose - also vielleicht eher von diesem Orthopäden statt von Südtirol abraten ?
Unsere Wege trennen sich allerdings gleich wieder, denn er muß erst noch in die Stadt Einkaufen gehen, ich dagegen widme mich bereits kurz hinter dem Nachbarort Anselfingen der heutigen Tagesaufgabe: Vulkanhügel erklimmen:
Die sind teilweise garstig steil und als ob das nicht schon genug wäre, lasse ich mir den Umweg zum Gipfelplateau nicht nehmen, wo dann auch noch eine Treppe auf das Haupt des höchsten Ruinenrestes führt:
Holla, die Waldfee: Als ich mit zittrigen Beinen das Aussichtsplateau erreiche, halte ich mich mal lieber am Schwerpunkt auf, der über Mauern und nicht in der Luft hängt.
Aber was heißt MAUERN. Das kommt einem hier eher vor wie in der DDR-Nationalhymne: "Auferstanden aus Ruinen."
Und wie das mit der DDR endete und wie (wenig) stabil da so einiges war, weiß man ja.
Und mir wird das just da OBEN klar. Glasklar.
Himmel, A.... und Zwirn, was hat mich nur da hoch gebracht. Nichts wie runter und hoffen, daß auf der Schmalstspur-Wendeltreppe kein Gegenverkehr kommt (in Pforzheim hätte ich da BMI-technisch vielleicht noch gar nicht reingepaßt).
Vorher runter gucken, ob jemand kommt ? - Bin ich lebensmüde.
Vorher runter rufen, daß niemand kommt ? - Als ob ich noch sprechen könnte.
Es geht - überraschenderweise - alles gut...
Überlebt habend folgt der Abstieg vom eigentlich optionalen Abzweig zum Gipfel.
Im weiteren Verlauf haben die Weggestalter weitere Hindernisse in gehäufter Form von vorsätzlichen Nadelöhr-Engstellen platziert:
Möglicherweise um Mountain-Bikern das Leben zu erschweren.
Ich stelle jedenfalls fest, daß egal, wie man den Kerl mit seinem Rucksack gerade dreht und wendet, er augenscheinlich so breit wie tief ist, aber gerade so durchkommt - im Unterschied zu so mancher Kuh-Verbauung in den Alpen.
Ein lustig verzauberndes Eselchen finde ich dann rückblickend auch noch am Weg:
In Welschingen dann den definitiv häßlichsten Brunnen von ganz Deutschland:
Ist das Kunst oder kann das weg ?
Also ich und alle meine Alter-Egos an gespaltenen Persönlichkeiten wären ja definitiv einstimmig für letzteres.
Und schon geht es den nächsten Vulkankegel zu:
Wobei eigentlich zweigt die Weg-Beschilderung rechts ab. Sowohl der Track der österreichischen Wanderführer-Autoren als auch die digitale E1-Variante führt geradeaus.
Mmmh, was tun ?
Mit einem Schlaufon kann ich zwar wenig bis nichts anfangen, aber mit meinem GPS komme ich schon gut aus, so daß mit der Digitalisierung beim Informatiker zwar Hopfen und Malz verloren ist (Bier ? Igitt !), aber beim Stand von 2:1 ich mich doch für geradeaus entscheide.
Nur ergibt dann die Wegführung in Weiterdingen noch weniger Sinn. Und zwar weder die Schleife über den Hohenstoffeln (also eher 3/4 hoch und daran entlang), noch die im Führer beschriebene Schlechtwetter-Geradeaus-Variante.
Ich optimiere das bei 25 Grad Temperatur um einen Winkel von -60 Grad und harre nach Weiterdingen weiteren Dingen, die sich bei stürmischen Böen und dunklen Verfärbungen am Himmel so langsam abzeichnen.
Zuerst heißt es aber im Zick-zack hoch auf den Sickerberg zum Hegaukreuz:
Der Anstieg oder das hohe Gras sind nicht das Problem, wohl dabei allerdings kleine fiese schwarze Mückchen, die es auf Augen, Ohren, Nase und Mund abgesehen haben.
Sind das die, die mir damals für Nord-Norwegen zu "Nothing but stones" versprochen worden waren, dort aber nie aufgetaucht sind ? - Nein, sie beißen zumindest nicht, wobei ich auch keine Lust habe auf sie zu beißen. Schlucken ist auch keine Option.
Als nächstes wird die Ruine Mägdeberg passiert und es geht auf die Hohenkrähen zu, wobei nun leichter Regen einsetzt.
Ich setze mal wieder auf Ignorieren. Das kann ich manchmal ganz gut, munkelt man. Heute bis zum Ende, denn der meiste Regen wird erst gekommen sein, nachdem ich längst das Quartier erreicht habe.
In der Ferne deutet sich schon seit einiger Zeit die bekannteste Ruine der Gegend an: Die Hohentwiel.
Vor ein paar Jahren war ich da mal mit Fräulein A. und den anderen Erlanger Damen zum Sightseeing, bevor wir dann in der Gegend um Zuffenhausen ganz toll Torte essen waren - ich bin ja nicht so der süße/Torten-Typ, aber das war echt der Knaller, ist mir bis heute in Erinnerung und wird in Singen zumindest zu einem Stück Käse-Sahne-Torte kurz vor dem Hotel führen - wie sich im Nachhinein wird feststellen lassen :-)
Zuerst aber auch hier nur auf Höhe des Besucherzentrums tangierend vorbei:
Kleines Gedanken-Experiment:
So eine vergleichende Bewertung von Ruinen ist schon wirklich Teufelszeug: Ist eine Burg/ein Schloß in Ordnung, führt das automatisch mangels Morbidität zur Disqualifikation.
Klaut man allerdings zu viele Steine, bleibt auch nicht mehr viel vom ruinierten Stolz.
Fallen die Steine wie an der Hohentwiel ggf. einem auf den Kopf, dann mußt Du plötzlich jede Menge Wege sperren und anfangen Ruine und Felsen zu "reparieren", was auch wieder einen Haufen Geld kostet, nur um den optimalen Zustand von Deffektheit wieder herzustellen.
Ein ruinöser Wettbewerb diese Ruinensache, muß man konstatieren.
Am Gasthaus vorbei führt eine versteckte, den Österreichern augenscheinlich verborgen gebliebene Treppe auf den geteerten Fußweg ins Tal.
Durch Singen orientiere ich mich an Grünanlagen und Fluß.
Anschließend geht es direkt gen Osten, wobei mir nicht nur an den Ampeln, spezielle, närrische Gestalten auffallen:
Ah, und ans Höhentrainingslager in zwei Wochen in Südtirol werde ich auch noch erinnert:
Nicht mal mehr 50 Kilometer bis Konstanz...
Und morgen - am letzten vollen Wandertag - stehen noch zwei geplante Begegnungen auf dem Programm, auf die ich mich quasi schon so lange wie Deutschland freue:
1. Eine dahergelaufene Immobilie (rot-weiß-rot), die (mindestens) einen Vogel hat.
2. Eine akademische Mobilie (rot-weiß, in Rechenform), die mit Gnade und See rechnen kann.
Begegnungen:
- Offenburg-Bodensee-Weitwanderer beim Frühstück (still) und beim Gehen (gesprächig)
- 1 riesige Libelle
- 1 Milan
- 1 Kleiber
- 2 Milane
- 1 ängstliche Katze am Feldrand
- 1 Falke
- 3 Herren aus Leverkusen, wovon einer vor Jahrzehnten mit dem 12-jährigen Sohn per Rad bis Schaffhausen am Rhein entlang radelte