Dienstag, 31. Mai 2022

Tag 74: Ein ruinöser Wettbewerb

Engen - Singen
(23,5 km - 760 Hm auf - 780 Hm ab)

Beim Frühstück war der zweite Gast noch nicht gesprächig, aber als wir uns beim Verlassen des Domizils nochmal über den Weg laufen, erzählt der nachträglich und kurzfristig am Vorabend noch Eingelaufene von seiner Tour aus der Heimat Offenburg über den Schwarzwald zum Bodensee.

Eigentlich würde er ja gerne bis nach Südtirol, aber wegen Arthrose riet im der Orthopäde ab. Allerdings passen die Symptome wohl gar nicht zu Arthrose - also vielleicht eher von diesem Orthopäden statt von Südtirol abraten ?

Unsere Wege trennen sich allerdings gleich wieder, denn er muß erst noch in die Stadt Einkaufen gehen, ich dagegen widme mich bereits kurz hinter dem Nachbarort Anselfingen der heutigen Tagesaufgabe: Vulkanhügel erklimmen:

Die sind teilweise garstig steil und als ob das nicht schon genug wäre, lasse ich mir den Umweg zum Gipfelplateau nicht nehmen, wo dann auch noch eine Treppe auf das Haupt des höchsten Ruinenrestes führt:

Holla, die Waldfee: Als ich mit zittrigen Beinen das Aussichtsplateau erreiche, halte ich mich mal lieber am Schwerpunkt auf, der über Mauern und nicht in der Luft hängt.

Aber was heißt MAUERN. Das kommt einem hier eher vor wie in der DDR-Nationalhymne: "Auferstanden aus Ruinen."

Und wie das mit der DDR endete und wie (wenig) stabil da so einiges war, weiß man ja.

Und mir wird das just da OBEN klar. Glasklar.

Himmel, A.... und Zwirn, was hat mich nur da hoch gebracht. Nichts wie runter und hoffen, daß auf der Schmalstspur-Wendeltreppe kein Gegenverkehr kommt (in Pforzheim hätte ich da BMI-technisch vielleicht noch gar nicht reingepaßt).

Vorher runter gucken, ob jemand kommt ? - Bin ich lebensmüde.

Vorher runter rufen, daß niemand kommt ? - Als ob ich noch sprechen könnte.

Es geht - überraschenderweise - alles gut...

Überlebt habend folgt der Abstieg vom eigentlich optionalen Abzweig zum Gipfel. 

Im weiteren Verlauf haben die Weggestalter weitere Hindernisse in gehäufter Form von vorsätzlichen Nadelöhr-Engstellen platziert:

Möglicherweise um Mountain-Bikern das Leben zu erschweren.

Ich stelle jedenfalls fest, daß egal, wie man den Kerl mit seinem Rucksack gerade dreht und wendet, er augenscheinlich so breit wie tief ist, aber gerade so durchkommt - im Unterschied zu so mancher Kuh-Verbauung in den Alpen.

Ein lustig verzauberndes Eselchen finde ich dann rückblickend auch noch am Weg: 

In Welschingen dann den definitiv häßlichsten Brunnen von ganz Deutschland:

Ist das Kunst oder kann das weg ?

Also ich und alle meine Alter-Egos an gespaltenen Persönlichkeiten wären ja definitiv einstimmig für letzteres.

Und schon geht es den nächsten Vulkankegel zu: 

Wobei eigentlich zweigt die Weg-Beschilderung rechts ab. Sowohl der Track der österreichischen Wanderführer-Autoren als auch die digitale E1-Variante führt geradeaus.

Mmmh, was tun ?

Mit einem Schlaufon kann ich zwar wenig bis nichts anfangen, aber mit meinem GPS komme ich schon gut aus, so daß mit der Digitalisierung beim Informatiker zwar Hopfen und Malz verloren ist (Bier ? Igitt !), aber beim Stand von 2:1 ich mich doch für geradeaus entscheide.

Nur ergibt dann die Wegführung in Weiterdingen noch weniger Sinn. Und zwar weder die Schleife über den Hohenstoffeln (also eher 3/4 hoch und daran entlang), noch die im Führer beschriebene Schlechtwetter-Geradeaus-Variante.

Ich optimiere das bei 25 Grad Temperatur um einen Winkel von -60 Grad und harre nach Weiterdingen weiteren Dingen, die sich bei stürmischen Böen und dunklen Verfärbungen am Himmel so langsam abzeichnen.

Zuerst heißt es aber im Zick-zack hoch auf den Sickerberg zum Hegaukreuz:  

Der Anstieg oder das hohe Gras sind nicht das Problem, wohl dabei allerdings kleine fiese schwarze Mückchen, die es auf Augen, Ohren, Nase und Mund abgesehen haben.

Sind das die, die mir damals für Nord-Norwegen zu "Nothing but stones" versprochen worden waren, dort aber nie aufgetaucht sind ? - Nein, sie beißen zumindest nicht, wobei ich auch keine Lust habe auf sie zu beißen. Schlucken ist auch keine Option.

Als nächstes wird die Ruine Mägdeberg passiert und es geht auf die Hohenkrähen zu, wobei nun leichter Regen einsetzt.

Ich setze mal wieder auf Ignorieren. Das kann ich manchmal ganz gut, munkelt man. Heute bis zum Ende, denn der meiste Regen wird erst gekommen sein, nachdem ich längst das Quartier erreicht habe.

In der Ferne deutet sich schon seit einiger Zeit die bekannteste Ruine der Gegend an: Die Hohentwiel.

Vor ein paar Jahren war ich da mal mit Fräulein A. und den anderen Erlanger Damen zum Sightseeing, bevor wir dann in der Gegend um Zuffenhausen ganz toll Torte essen waren - ich bin ja nicht so der süße/Torten-Typ, aber das war echt der Knaller, ist mir bis heute in Erinnerung und wird in Singen zumindest zu einem Stück Käse-Sahne-Torte kurz vor dem Hotel führen - wie sich im Nachhinein wird feststellen lassen :-)

Zuerst aber auch hier nur auf Höhe des Besucherzentrums tangierend vorbei:

Kleines Gedanken-Experiment:

So eine vergleichende Bewertung von Ruinen ist schon wirklich Teufelszeug: Ist eine Burg/ein Schloß in Ordnung, führt das automatisch mangels Morbidität zur Disqualifikation.

Klaut man allerdings zu viele Steine, bleibt auch nicht mehr viel vom ruinierten Stolz. 

Fallen die Steine wie an der Hohentwiel ggf. einem auf den Kopf, dann mußt Du plötzlich jede Menge Wege sperren und anfangen Ruine und Felsen zu "reparieren", was auch wieder einen Haufen Geld kostet, nur um den optimalen Zustand von Deffektheit wieder herzustellen.

Ein ruinöser Wettbewerb diese Ruinensache, muß man konstatieren.

Am Gasthaus vorbei führt eine versteckte, den Österreichern augenscheinlich verborgen gebliebene Treppe auf den geteerten Fußweg ins Tal.

Durch Singen orientiere ich mich an Grünanlagen und Fluß.

Anschließend geht es direkt gen Osten, wobei mir nicht nur an den Ampeln, spezielle, närrische Gestalten auffallen:

Ah, und ans Höhentrainingslager in zwei Wochen in Südtirol werde ich auch noch erinnert: 

Nicht mal mehr 50 Kilometer bis Konstanz...

Und morgen - am letzten vollen Wandertag - stehen noch zwei geplante Begegnungen auf dem Programm, auf die ich mich quasi schon so lange wie Deutschland freue:

1. Eine dahergelaufene Immobilie (rot-weiß-rot), die (mindestens) einen Vogel hat.

2. Eine akademische Mobilie (rot-weiß, in Rechenform), die mit Gnade und See rechnen kann.


Begegnungen:

- Offenburg-Bodensee-Weitwanderer beim Frühstück (still) und beim Gehen (gesprächig)

- 1 riesige Libelle

- 1 Milan

- 1 Kleiber

- 2 Milane

- 1 ängstliche Katze am Feldrand

- 1 Falke

- 3 Herren aus Leverkusen, wovon einer vor Jahrzehnten mit dem 12-jährigen Sohn per Rad bis Schaffhausen am Rhein entlang radelte


Tag 73: Die Letzten werden die Ersten sein

 Blumberg - Engen
(28,2 km - 610 Hm auf - 720 Hm ab)

Als ich am Vortag kurz nach 15:00 Uhr im Gasthof Hirschen in Blumberg angekommen war, erhielten meine Wanderschuhe (ob des Teppichbodens in den oberen Etagen) genaue Anweisungen, wo sie sich aufzuhalten hätten.

Einsam und alleine wurden sie unter einer Bank am Hintereingang deponiert. Aber gut, daß ich mir (im Gegensatz zu dem umherirrenden Paar vom Vorabend) den genauen Parkplatz gemerkt hatte, denke ich mir abends als ich die Masse an Schuhen all der Gäste bestaune: Da ist kein Plätzchen mehr frei.

Am Morgen dann ein gutes Frühstück mit ganz viel frischen Erdbeeren, die ich mit Klecksen von Joghurt vermenge - aber um Himmels Willen, komme mir nur keiner mit fertigem Erdbeer-Joghurt, -Eis, -Marmelade oder dergleichen ekligen Dingen.

Gut Ding will Weile haben und so lassen meine Wanderschuhe mich zwischenzeitlich wohl schon ausrufen, weil sie Panik schieben, vergessen und nicht abgeholt worden zu sein. Aber ich bin noch auf der 17.

So wie sie die ersten waren, sind sie nun einsam wieder die letzten.

Aber auf Los geht's los und nicht mal mehr 100 Kilometer bis zum großen See...

Zuerst geht es heute knapp 200 Höhenmeter über nette Pfade ab dem Ortsrand von Blumberg auf den Buchberg, den Hausberg, von wo man eine tolle Aussicht gen Nordwesten hat, wo ich die Tage herkam.

Den Schlechtwetter-Weg (von dem ich diesmal bereits zuvor im Wanderführer gelesen hatte) ist heute kein Thema, ob des bombigen Wetters.

Sonst hätte man direkt vom Ort in einem Kilometer die Ottilienhöhe erreichen können (und sich etliche Höhenmeter sparen).

Mitten im Wald sind ein extrem schwarzes Eichhörnchen und ich genauso überraschend vom Aufeinandertreffen voneinander erstaunt, daß alle Beteiligten einen ordentlichen Satz vor Schreck machen: Ich körperlich nach links und verbal gerade raus, das posierliche Tierchen um den Stamm des Baums rechts des Weges und vertikal nach oben. - Wobei es noch mehrfach unverschämt verschämt um den Stamm herum lugt und auf mich herabschaut, bevor es in der Krone verschwindet.

Lustigerweise findet sich ein analoges Schild zu dem auf der Otillienhöhe auch am westlichen Ende des Waldes, wo man wohl auch direkt aus Blumberg mit einem Kilometer Wegstrecke hätte hinkommen können.

Dort findet sich denn auch eine plastische, dreidimensionale Darstellung der überregional bekannten Sauschwänzlebahn:

Mittels in die Landschaft gelegte Schleifen, über riesige Stahl-Viadukte (teils in Fischbauch-Bauweise), durch einen Kehrtunnel (180 Grad) und den einzigen Kreiskehrtunnel Deutschlands (360 Grad) wird über (ganz viel) Strecke die Höhe mit maximalem Steigungsverhältnis von 1:98 überwunden (militärische Vorgabe aus dem 19. Jahrhundert).

Teile der Strecke bei Epfenhofen kann man unten im Foto erkennen:

Ich muß zugeben, selbst nach eingängigem, optischem Landschafts- und Trassen-Studium, bekomme ich nicht mal alle sichtbaren Abschnitte logisch zusammen.

Durch den Wald und dann zwischen Wiesen und Feldern hindurch geht es auf Randen zu, wo die stark (insbesondere von LKWs) befahrene B27 kaum zu queren ist. 

Zwischenzeitlich sehe ich mal fünf Weitwanderer im Rückspiegel, aber irgendwie holen die mich auch später bei Pausen nicht ein.

Am "Blauen Stein" beendet dagegen ein Fernwanderer just vor mir seine Pause und zieht weiter.

Bis auf 10 Meter werde ich ihm mal nahe kommen, aber erreichen werde ich ihn nicht: Vor Riedöschingen nimmt er eine Abkürzung in den Ort (während ich natürlich brav der Querweg-Markierung folge) und auf der anderen Talseite nimmt er einen früheren Weg steil bergauf gen Osten, so daß ich ihn nur nochmal aus der Ferne von hinten sehe.

Meine Route zieht einen weiten Bogen gen Süden, ebenfalls über den Hügel, durch ein weiteres Waldstück bis zu einem aussichtsreichen Mittagspausenplatz mit Blick ins Hegau mit seinen Vulkankegeln, die mich nun in Richtung Bodensee begleiten sollen. 

Mittendrin wechselt dann plötzlich die Art und Farbe der Wegweiser, die ich seit Pforzheim gewohnt war:

Ja, bin ich denn gar zu weit nach Süden abgekommen und in der Schweiz gelandet ?

Nein, das wohl nicht, aber in der Ferne (im Dunst) kann man vom Napoleonseck (obwohl Napoleon bei der Schlacht um Engen gar nicht zugegen war und sich dort nur das Kommando seines Heeres befand) erstmals den See sehen:

Auf dem alten Postweg geht es weiter durch Wiesen und Felder auf den letzten bewaldeten Hügel des Tages zu und hindurch bergab in die Stadt.

Im Quartier - dem Impuls-Haus - werde ich zwar nicht in persona aber doch sehr persönlich begrüßt, nachdem ich mir den Schlüssel am telefonisch abgesprochenen Versteck besorgt hatte:

Noch ein (letztes) kleines Rätsel für die Daheimgebliebenen:

Was ist die Vereinigung von Durchgangszimmer und Fedaiastausee ? 


Begegnungen:

- 1 Milan

- 1 pechschwarzes Eichhörnchen

- 2 Schafstelzen


Montag, 30. Mai 2022

Tag 72: Flußabwärts gegen den Strom schwimmen

Schattenmühle - Blumberg
(24,0 km - 580 Hm auf - 520 Hm ab) 

Am Morgen ist es im Wutachtal an der Schattenmühle nicht nur reichlich schattig, sondern aktuell auch noch reichlich kühl. Zeit zum Blog-Schreiben und Trödeln, nachdem ich um 07:07 Uhr augenscheinlich einer der letzten bin, der zum Frühstück ab 07:00 Uhr erscheint.

Wow, die Bude ist voll und der Großteil der ca. 30 Leute scheinen Wanderer zu sein.

Aber wo wollen die heute alle noch hin, wenn sie so früh starten wie sie frühstücken und im Schnitt auf dem Schluchtensteig nur 20 Kilometer pro Tag als Etappenlänge haben.

Was machen die am Nachmittag ? - In der schattigen Schlucht ist ja bei den aktuellen Temperaturen im Schatten eher nicht an stundenlanges Verweilen zu denken.

Nun, andere Leute, andere Sorgen.

Ich stromere flußabwärts gen Osten und wie gestern geht es abwechslungsreich auf und ab, am Hang entlang durch den Wald oder auch mal über grüne Wiesen...

Unterwegs ist manch ein Naturschauspiel zu bestaunen:

Oder auch mal die Wutach aus nächster Nähe zu sehen:

Ab und an wird heute die Flußseite gewechselt, wobei man im Lauf der Jahrzehnte dazu gelernt hat, daß der Fluß immer breiteren Raum einnimmt...

Auch von der Seite kommt von Zeit zu Zeit das Wasser herab. Nichts für Warmduscher...

Ich schaffe es kaum mal ein Foto ohne Leute im Gegenverkehr zu schießen, denn am heutigen Sonntag sind neben den (klassischen) Schluchtensteig-Wanderern auch noch einige Tagesausflügler unterwegs.

Nicht aus der Ruhe hat sich dieser Zeitgenosse bringen lassen, der mitten am Weg herumlungert:

Stellenweise wird der Weg recht eng, die Wände steil und steinschlaggefährdet und nach dem Feldberg (als höchstem Punkt) enthält die letzte Woche des E1 durch Deutschland nun auch noch die technisch anspruchsvollsten Passagen hier in der Wuttachschlucht bereit.

Von oben wirkte das noch gar nicht so fragwürdig - wenn nur nicht dieses Schild so prominent platziert wäre:

Von unten sieht man die mit Siemens-Lufthaken notdürftig fixierte Begründung des in der Luft hängenden Fundaments: KeinWunder, daß die Treppe schon mit mir (und meinem Rucksack) alleine so viel Schlagseite hatte: 

Früher oder später wird sie wohl den Abgang in den Fluß machen.

Von den richtig spannenden Stellen gibt es Petrus-bedingt leider keine Fotos :-(

Allerdings ist der feuchte bzw. teils zum Lutschen geeignete Spuk von oben auch schnell wieder vorbei, so daß die Regensachen wieder weggepackt werden können. 

Gegen Mittag erreiche ich die Wutachmühle, wo die klassische Schluchtpassage endet.

Über einen Hügel geht es auf Aselfingen zu und mitten im Wald treffe ich auf dieses Konstrukt: 

Ein Geocache direkt am Weg, nur fehlt mir leider die Tresor-Kombination :-(

An einem Pausentisch kurz vor Aselfingen bekomme ich dann noch Gesellschaft von zwei älteren Ehepaaren und wir kommen ins Gespräch. Sie kommen ausgerechnet aus Blumberg, meinem heutigen Tagesziel.

Was mir an dieser Stelle zu denken gibt: Laut Wegweiser sind es mit dem Rad bis dorthin 4,4 km (über den Schluchtensteig übrigens auch), zu Fuß über den Querweg allerdings 5,5 km.

Die geneigte Leserin ahnt es schon: Ja, der faule Kerl soll noch mal über einen Hügel drüber. Zur Strafe ? Nein, nur zur Übung.

In Achdorf kommt die Abzweigung, die den Unterschied macht: Es geht einen Asphaltweg steil bergauf gen Waldrand. Auf halber Höhe beginnt es wieder zu regnen. Das paßt mir jetzt aber gar nicht in den Kram. Ignore-Mode aktiviert.

Petrus schaltet einen Gang hoch. Ich auch.

Im Wald ist es dann von oben gar nicht mehr so naß, dafür teilweise von unten ganz schön glitschig.

Gut, daß ich die schlauen Ratschläge im Wanderführer in der Regel immer erst hinterher lese: "Bei Regen ist es ratsam, zwischen Achdorf und Blumberg auf der Verbindungsstraße zu bleiben, da der E1 hier auf teils glitschigen Wegen durch ungesicherte Steilhänge führt."

Ja, Recht haben sie, aber was hätte ich nicht alles verpaßt. Unter anderem einen Schwarz-Specht !

Oben ist es dann schon wieder trocken und Blumberg unten im Tal zu sehen...

Natürlich kann man immer den einfachen Weg im Leben gehen, aber die anderen sind vielleicht etwas anspruchsvoller, jedoch in der Regel viel abwechslungsreicher und spannender :-)


Begegnungen:

- Mutter mit erwachsenem Sohn auf Querweg wie ich gen Osten

- 2 Damen auf 2-Tages-Tour

- Dutzende Entgegenkommende

- 2 Ehepaare am Pausentisch kurz vor Achdorf

- Schwarzspecht im Wald über Achdorf

- Schafstelze über Feld kurz vor Blumberg


Tag 71: Ausgefuchst überfragt

Schluchsee - Schattenmühle
(29,8 km - 730 Hm auf - 1.010 Hm ab) 

Ein letztes Mal 1,5 Stunden Zugfahrt von Donaueschingen über Titisee bis hoch zum Schluchsee.

Langsam kenne ich die Strecke schon auswendig. Wobei. Moment. Also der Fuchs, der da seelenruhig mitten auf der Wiese sitzt, ist definitiv neu.

Schön, daß die Einheimischen für die Gäste immer wieder neue Attraktionen (auch jenseits der bekannten - und von mir schnöde - natürlich nur ob des Rucksackgewichts - verweigerten - Kuckucksuhren) aufbauen :-)

Vom See weg geht es durch den Ort gen Norden und über die erste Erhebung des Tages, den Riesenbühl mit seinem Aussichtsturm - wobei ich mir die Zusatzhöhenmeter spare.

Durch den Wald geht es vornehmlich über Forststraßen bis kurz vor Lenzkirchen, wo am Ortsrand der erste Zusatzhügel als Aufwärmschikane umwegenderweise in die Route eingebaut ist, was einem aber einen Geopark (ok, Steine), eine Bücherkiste und einen tollen Aussichtspunkt einbringt.

Mitten im hübschen Ort, gleich beim Rathaus, treffe ich auf den bekannten Schluchtensteig, welcher in 6 Tagen auf ca. 120 Kilometern quer durch den Südschwarzwald führt und mich die nächsten 1,5 Tage begleiten wird. Mal mehr, mal weniger. 

Zum Anfang gleich mal mehr weniger: Der Schluchtensteig zweigt am Rathaus rechts ab, um am Fluß entlang gen Osten durch's Tal zu führen.

Der Mittelweg des E1 führt dagegen weiter schnurstracks gen Norden und bereits in den Randbereichen von Lenzkirch richtig heftig in Falllinie den Berg hoch. Puh, ganz schön steil.

Aber zwischendrin wird's auch mal etwas flacher:

Manch einer hat den Aufstieg wohl nicht so gut weggesteckt, wie die Überreste erahnen lassen:

Vom Mittelweg der oberen Markierung bleibt dann ab der Abzweigung am Hierabrunnen (1.115 m: der letzte Tausender auf dem E1 gen Süden durch Deutschland) auch nicht mehr viel - eigentlich genau genommen: gar nichts, denn jetzt bin ich auf dem Schwarzwald-Querweg (Freiburg-Bodensee: 180 km) angekommen, der mich bis nach Konstanz führen wird.

Ein letztes Mal seit Pforzheim, gilt es nun erneut, sich ein neues Rautenmuster einzuprägen:

Über weitläufige Forststraßen nach Osten und am Ende quer ("Querweg" ?!) über Almwiesen marschiere ich gen Süden nach Kappel.

Wer geometrisch mitgedacht hat: Ja, wenn man an der Haslach in Lenzkirch gen Osten abgebogen wäre, wäre man (auf dem Schluchtensteig) direkt mit einem Viertel der Strecke und einem (ob des Gefälles) nicht in positiven Bruchanteilen auszudrückenden Höhenmeterverhältnis am gleichen Punkt rausgekommen.

Ich hätte in der Ortsmitte allerdings nicht diese skurrile Begegnung gehabt... 

Nein, NICHT diese Blumenkuh, sondern kurz vorher im Zentrum ergab sich folgende Szene:

Ich habe gerade ein paar ältere Damen beim Walken überholt (also Einheimische) und wenige Meter hinter mir gelassen, links geht just eine Haustür auf und eine Familie kommt raus (also mutmaßlich Einheimische) und ein Radler steuert direkt auf den landstreicherartigen Bergpiraten zu (also MICH), um zu fragen, wie er mit dem RAD nach Badenweiler (wenn ich mich nicht verhört habe) komme.

Nun, ich bin ein Kulturbanause und habe auch sonst wenig Ahnung, aber Badenweiler kennne ich. Da war ich als Kind im Urlaub gewesen und die Pensionswirtin hatte mir eine ganze Handvoll 100er Nägel zugesteckt, damit ich am Dorffest kostenlos beim Spitzen-Nageln mitmachen konnte. Und ich war nicht schlecht.

Mafia-Methoden ? Früh übt sich !

Und wer der Mafia mal einen Gefallen getan hat, dem wird das nicht vergessen. Und umgekehrt - nur der Vollständigkeit halber erwähnt ;-)

Nun, aber Badenweiler liegt auf der anderen Seite des Schwarwalds, der fragwürdige Fragenfrager ist einer jener aus der Mode gekommenen und (auf Basis einer gerade LAUFENDEN Studie an teilnehmender Beobachtung) kaum noch existenten Spezies von Ohne-Akku-Bikern.

Was weiß ich, wie man von Kappel am besten nach Badenweiler kommt ?

GoogleMaps befragen ?

Einheimische interviewen ?

Karte auspacken und Schilder lesen ?

An jeder Kreuzung eine Münze werfen und auf Zufallsfund 1:3^n spekulieren ?

Die Menschheit ist schon manchmal wunderlich (siehe auch Tag 31 und der Weg zum lokalen Impfzentrum), denke ich mir, nach einem schulterzuckenden Verweis auf eine mutmaßlich optimalere Befragung Ortskundiger.

Von Kappel geht es - im wahrsten Sinne des Wortes - hinab an die Haslach und somit nun auch für mich auf den Schluchtensteig.

Am Zusammenfluß mit der "gütigen Ach" (Gutach) entsteht die Wutach (die "wütende Ach": insbesondere nach Unwettern und jedes Jahr nach der Schneeschmelze geht es hier RICHTIG zur Sache).

Der Wutach-Abschnitt dürfte einer der bekanntesten am Schluchtensteig sein - zumindest war es der einzig mir bereits vorab bekannte.

Das ist kein klassischer Klamm-Weg mit durch den Hang/Fels gefräßter (und ggf. stark befestigter) Touristen-Autobahn, sondern der der Steigt führt mal als Pfad am Fluß entlang, oft aber auch steil bergauf/bergab durch die Hänge mit recht wenig fester Infrastruktur.

Zwischendrin noch ein spezieller Felsen, den man im Fränkischen wohl "Royberschlössla" nennen könnte:

Ein einziger schmaler Gang führt zu einem kleinen, geschützten Fels-Kessel, wo ich ob der besonderen Location einen Geocache vermute.

Vorbereitung ? Elektronische Geräte ?

Alles überbewertet. Schauen wir uns doch mal um und überlegen wir uns, wo wir eine Dose... oh, da ist sie ja (27 Sekunden ohne GPS-Nutzung - aber Fund ist Fund, oder ?).

Am Waldrand auf einer Anhöhe südlich von Göschweiler und kurz vor meinem Tagesziel Schattenmühle, spricht mich ein Ehepaar aus Südbayern an: Es ist bereits 17:00 Uhr und die beiden finden ihr Auto nicht.

Also das Auto ist nicht das eigentliche Thema/Problem, viel mehr der Parkplatz, wo sie am Morgen parkiert haben, wie all die Schwiizer, die hier unterwegs sind, sagen würden.

Sie schwenken ein Papierwerk, was man nicht gerade Landkarte nennen kann, sondern eher abstrakte Touristen-Grob-und-Bunt-Werbe-Information und fahren mit dem Finger dermaßen hin und her, wo denn ihr Auto wäre, daß mir dabei ganz übel wird. Und "schon den ganzen Tag kein Handy-Empfang". - Nun, mit letzterem könnte man in Deutschland und bei der Begehung von SCHLUCHTEN insbesondere schon mal rechnen, wobei ich mir das auf der aktuellen Anhöhe kaum vorstellen und später unten an der Schattenmühle (wo die beiden gerade her kommen) es sogar LTE-Empfang im Gästehaus gibt.

Leute, ist Euch noch zu helfen ?

Von analogen Landkarten, Offline-Karten am Handy, GPS-Sensor des Schlaufons und dergleichen haben sie wohl noch nichts gehört.

Nun, ich dachte, ich hätte spätestens nach der Radler-Begegnung (auch alkoholfrei verstörend) die "Taxi" -äh- "Auskunft"-Leucht-Anzeige auf meiner Stirn deaktiviert, aber scheinbar...

Nachdem die beiden immer irgendwas von "Rötenbach" stammeln, kann ich immerhin beisteuern, am gleichnamigen Zufluß in der Wutachschlucht vorbeigekommen zu sein. Vor ca. 1 Stunde. Und wenn der Rötenbach-Steig vom Zufluß bis zum Ort ähnlich wie der Wutach-Steig ist, schätze ich 1 weitere Stunde dafür ein.

Oh, oh, dann wäre es schon nach 19:00 Uhr, ich wünsche den beiden jedenfalls alles Gute und hoffe, daß sie heil und ohne Nervenzusammenbrüche es zurück zum Auto geschafft haben.

Vielleicht lernen sie etwas daraus für's nächste Mal... 

Wenigstens diese drei Gesellen lassen mich auf den letzten Metern bis zur Schattenmühle direkt an der Wutach unbehelligt.


Begegnungen:

- 1 Fuchs (aus der Bahn gesehen)

- 1 verirrter Radfahrer

- viele Wanderer im Gegenverkehr in der Wutachschlucht

- 1 Eichelhäher

- 1 Hase

- 2 ver(w)irrte Bayern


1.000er:

- Hierabrunnen (1.115 m)