Freitag, 27. Mai 2022

Tag 68: Jammern auf hohem Niveau

Silberberg - Kalte Herberge
(25,7 km - 620 Hm auf - 550 Hm ab)

Mal wieder als letzter verlasse ich am Morgen die Unterkunft um einen weiteren wunderschönen Tag anzugehen.

Nach den initialen (und steilen) 25 Aufstiegsmetern vearbschiede ich Alex und Rüdiger, die hier auf der Anhöhe links gen Bahnhof abbiegen, denn ihre vier diesjährigen Tage am Westweg sind vorüber, wobei wir ja schon Alternativ-Pläne am Vorabend ausgeheckt hatten, die inkludierten, daß ich ihren Frauen schonend am Telefon beibrächte, daß die beiden LEIDER verschwunden wären, aber BESTIMMT irgendwann wieder nach Hause kämen.

Die journalistischen Detailfragen von Alex werden die nächsten Tage wohl nicht nur mir fehlen, wie einer Anmerkung von Judith am Abend zu entnehmen wird gewesen sein.

Jenseits der Anhöhe ist mein Rucksack aber erstmal völlig außer Rand und Band: Da bimmelt, summt und vibriert es dermaßen, daß mir ganz Angst und Bange wird.

Also kaum losgelaufen schnell die nächste Bank ansteuern und nach dem Rechten sehen: Ah, nun gibt es wieder Handy-Empfang und es kommen einige (aufgestaute) Nachrichten vom Bodensee und aus Nürnberg über den Äther. 

Nach einer knappen halben Stunde ist der Gasthof Wilhelmshöhe erreicht, wo etliche andere Westweg-Wanderer abgestiegen sind.

"Der Mann mit der Bauchtasche", wie der ruhige Zeitgenosse treffend und eineindeutig von anderen Wanderern bezeichnet wird (Trail-Name), macht sich gerade just auch auf den Weg gerade als ich vorbeikomme.

Auf der anderen Straßenseite geht es durch eines der typischen Westwegtore direkt ins Moor: 

Der Blindensee liegt einsam und verlassen, aber traumhaft schön direkt am Weg:

Zwischenzeitlich - quasi in Almgebiet - haben mich Judith + Steffen passieren lassen, bei meiner Pause bei Martinskapelle treffen wir uns aber wieder und werden zusammen von ein paar Oberbayern angesprochen, wo denn hier die Donauquelle sei. Die Frage hatten wir uns 60 Sekunden vorher auch schon gestellt ;-)

Aber schlau daher reden können wir schon auch (nicht nur die Münchner) und Recht, ja das haben wir dann schon auch: Vorne links.

Wie jedes Kind (nur nicht der Bruder meiner Onkels) weiß: "Brigach und Breg bringen die Donau zuweg."

Und weil der Breg am weitesten von der Mündung der Donau am Schwarzen Meer entfernt ist, sowie das meiste Wasser in Donaueschingen - am Zusammenfluß - beisteuert, gilt er als der eigentliche Ursprung.

Hier steh ich also, unternehme den symbolischen Schritt über "aller Donau Anfang" und Judith lichtet mich auch noch ab:

Als ich vom Abstecher wieder zurück auf den Westweg gehe, kommt mir gerade Jörg entgegen, der nach der gestrigen Schonung und der Fahrt mit dem Gepäcktransport zur Wilhelmshöhe, heute wieder voll ins Geschehen eingreift: Ich muß in dort am Morgen um wenige Minuten verpaßt haben.

Schön, daß seine Beschwerden auch deutlich nachgelassen haben ! - Man leidet ja immer ein wenig mit...

Den Turm auf der Brend haben Experten gebaut: Außenliegende Schmalspur-Treppe:

Mir dreht es - aufwärts bereits ans abwärts denkend - fast den Magen um, aber da Judith und Steffen schon voraus sind (und somit zumindest nicht mit überraschendem Gegenverkehr zu rechnen ist), kann ich jetzt wohl kaum Kneifen, also Augen zu und durch.

Immerhin ist der Weg in den zweiten Stock innenliegend:

Heute werden viele Gehöfte oder kleine Weiler passiert, es geht munter abwechselnd durch den Wald bzw. über Freiflächen.

Was heute (insbesondere im Vergleich zum Vortag) nicht ganz so schön ist: Ein relativ hoher Anteil an Asphalt- oder Schotter-Straßen. Aber das ist nun wirklich Jammern auf ganz hohem Niveau - schließlich ist heute fast die gesamte Etappe (und im Schnitt weit) über 1.000 Meter über Normalnull.

Manchmal sind einzelne Wanderer gar wie an einer Perlenschnur scheinbar äquidistant aufgereiht erkennbar:

Und mitten im Wald treffe ich dann noch auf ein eigentlich ganz scheues Wesen, was mir aber ob der Ohren unverkennbar scheint: Ein Luchs ! 

Die ab Neueck nahe B500 - die auch ein paar mal gequert/untertunnelt/überbrückt wird - ist ab und an durch Verkehrslärm zu hören, aber der Wald ist meist dicht genug, damit man zumindest optisch davon nicht viel mitbekommt.

Vor dem letzten Anstieg des Tages läßt mich der Mann mit der Bauchtasche noch passieren und letztlich schreite ich durch eine Art spezielles Westwegtor zur Kalten Herberge:

Dort hört die Beschilderung allerdings nicht am Eingang oder der Gaderobe auf, sondern die wird auf dem Weg zum Zimmer immer genauer:

Da kann man sich nicht verlaufen, für die Wanderschuhe gibt es sogar Schuhraum mit Schuhheizung und ein kleines Nachmittagsgedeck für Zwischendurch habe ich mir schon auch verdient:

Zu diesem Zeitpunkt gab es NOCH Blaubeer-Schmand-Kuchen - es kann schon mal von Vorteil sein, mehr der erste und weniger das letzte zu sein ;-)

Dann beginnt der schwierige Part des Tages: Weitere Quartiersuche.

Irgendwann gesellt sich Jörg dazu und steht vor dem gleichen Problem.

Parallel telefonieren wir Hotels und Touristen-Infos im Umkreis ab, studieren Internet-Portale und irgendwann bin ich in Freiburg im Breisgau gelandet: Da scheint es noch EIN Zimmer (noch dazu recht günstig) zu geben und S-Bahn-Anschluß zum morgigen Tagesziel Hinterzarten, aber dann - kurz vor der Buchung - sehe ich doch noch den teuflischen Pferdefuß an dieser Sache: Ich habe Pumps, Perücke, Rasierer und Schminke zu Hause gelassen. Derartige Reduzierung kann nicht nur von Vorteil sein...

Einzelbett im Frauenschlafsaal der Jugendherberge :-(

Im ganzen Südschwarzwald und bis raus ins Rheintal ist es wegen des Feier- und Brücken-Tages (Fensterl- für die Südländer) aussichtslos, eine Unterkunft für die nächsten Tage bekommen zu wollen.

Naja, für eine der beiden benötigten Nächte, hätte es am Schluchsee noch etwas für 200 EUR gegeben, aber das wäre bei dem Preis möglicherweise dann auch noch "Back-to-the-Roots" mit fließend Kalt-Wasser-Dusche am Gang und Herzerl-Häuschen im Grünen gewesen - nein, ein wenig Luxus darf schon sein.

Jörg geht in der Folge ja andere Route (über den Feldberg nach Basel), so daß für ihn ein Platz in der Jugenherberge in Feldberg-Ort eine adäquate Lösung ist und ich finde letztlich noch EIN Zimmer in Donaueschingen für zwei Nächte: Immerhin kostet das mit der Konus-Karte, die in der Kurtaxe enthalten ist, nur Zeit.

Bis zu 2,5 Stunden werde ich in den nächsten drei Tagen also täglich im Zug verbringen.

Gibt schlimmeres - immerhin kann man da sitzen, pausieren, es ist trocken, warm und nicht zugig :-)


Begegnungen:

- Judith + Steffen, Alex + Rüdiger am gemeinsamen Frühstückstisch

- 2 Greifvögel

- der "Mann mit der Bauchtasche" an der Wilhelmshöhe

- Jörg an der Donauquelle

- 2 schwer bepackte Fernwanderer in Gegenrichtung

- 1 Eichelhäher

- 2 Mittelweg-Wanderer mit Hund beim Kuchen an der Kalten Herberge

- KIS abends in der Unterkunft, nachdem wir uns schon Sorgen gemacht hatten


1.000er:

- Martinskapelle/Donau-Quelle (Breg) (1.100 m)

- Brend (1.149 m)

- Kalte Herberge (1.029 m)

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