Sonntag, 22. Mai 2022

Tag 65: Zeit-Höhenmeter-Optimierungs-Puzzle

Ruhestein - Mummelsee
Ruhestein - Alexanderschanze
(23,6 km - 610 Hm auf - 445 Hm ab)

Heute Morgen ist erstmal wieder Busfahren angesagt: Über die aussichtsreiche und beeindruckende Schwarzwald-Hochstraße geht es mit leichtem Gepäck zurück in Richtung Mummelsee, wo die gestrige Etappe Marsch-technisch endete.

Die Schwarzwald-Hochstraße führt als 60 Kilometer langer Abschnitt der Bundesstraße B500 zwischen Baden-Baden und Freudenstadt über den Nordschwarzwald.

Der Bau begann in den 1930er-Jahren, durchgängig befahrbar ist sie aber wohl erst seit 1952.

Von den großen Hotels an der "Ferienstraße" ist in großen Teilen nicht mehr viel übrig, aber die Motorradfahrer lieben die Strecke und nachdem erstmals nach dem 2. Weltkrieg die französischen Besatzer als Reparationen den Wald komplett abholzten, verrichteten bei den nachgepflanzten Fichten-Monokulturen Wiebke bis Lothar in den 1990er Jahren ganze Arbeit und viel schneller.

Diesen netten Herrschaften haben wir also eigentlich erst die vielseitige Landschaft und die weitreichenden Ausblicksmöglichkeiten ins Rheintal und bis zu den Vogesen zu verdanken.

Ohne meine (sich zufällig ergebenden) Bustransfers hätte ich in diesem Sinne auch etwas verpaßt.

In Ruhestein ist dann wirklich Ruhe am Stein: Erst in 50 Minuten soll der Anschlußbus zum Mummelsee fahren.

Das erscheint mir suboptimal. Suboptimal nervt mich. Meine Nerven... Nun ja, Geduld ist vielleicht nicht in allen Lebenslagen meine größte Stärke.

Eine Alternative muß her. SOFORT.

Im Laufe meiner E1-Wanderung habe ich ja - insbesondere ganz im Norden und dann in der Mitte Deutschlands noch ein wenig - bereits mit Etappen-Reihenfolgen, Routen, Einteilungen und Begehungsrichtung kombiniert mit der jeweiligen Bus-/Bahn-/Anrufsammeltaxi-Logistik (gerne auch mal mehrfach gebrochene Verkehre - wird sonst ja zu einfach) jongliert.

Nun aber nochmal ganz was Neues ?

Wenn ich nun die erste Hälfte der Mummelsee-Etappe rückwärts ginge und dort den Bus rückwärts (also Etappen-technisch vorwärts) wieder bis zum Standpunkt nähme und dann ab Ruhestein den Rest der Etappe vorwärts ginge bis zur Alexanderschanze, wo ein Bus mich wieder ab des Weges zum Quartier brächte, wie hoch wäre wohl die Wahrscheinlichkeit, dabei eine potentielle Wartezeit-Einsparung zu erreichen ?

Nun, fast wie Aktien-Spekulation ? Nein, eher wie Siedler-Spielen: Sehr hohe Wahrscheinlichkeit, daß es funktioniert, denn bei ca. stündlichem Busrhythmus kann es kaum größere Wartezeit geben.

Weiterer Vorteil: Ich darf mehr bergauf gehen. Ich liebe Win-Win-Situationen und los... 

Eine Skiabfahrt geht es in Serpentinen hoch und am Hoch-Plateau ist dann der Nationalpark wieder erreicht: Der ist ja noch nicht mal 10 Jahre alt und da mußten alle bestehenden Installationen (Hotels, Lifte, Pisten,...) natürlich ausgeklammert werden. 

Am Seekopf geht es am Grab des Orientalisten und Schwarzwald-Liebhabers Julius Euting vorbei, kurz danach begegnet mir eine Park-Rangerin mit zwei Dackeln und ratz-fatz ist die Darmstädter Hütte erreicht, die war mit Blaubeerkuchen zu locken versucht, aber erstmal keinen Stich macht. 

Etwas unterhalb - als ich mich gerade orientiere - kommt ein einheimischer Tageswanderer an mir vorbei.

Etwas später läßt er mich wieder aufholen und so gehen wir gemeinsam bergab gen Seibelseckle. Dort steht das Auto von Stephan, der sich am Sonntag Vormittag eine kleine 10-Kilometer-Runde gegönnt hat, bevor es zum Spargel-Essen nach Hause geht.

An seinem Auto verabschieden wir uns voneinander, aber seine Süßigkeiten will er nicht wieder mitnehmen. Mit etwas süßem Proviant geht es für mich bergauf gen Mummelsee.

In dieser Gegend ist jetzt schon ordentlich was los.

Letztlich beträgt meine Wartezeit auf den Bus 15 Minuten. Yes, sagte ich doch und ohne den Tempo-Macher Stephan wäre ich wohl just 5 Minuten vor Abfahrt optimiert angekommen.

Erneut per Bus nach Ruhestein, um dort erneut die Ruhe ad-hoc zu beenden, nachdem mit mir beim Aussteigen aus dem Bus noch auf Englisch über Wander-Falt-Stöcke im Flugzeug gefachsimpelt wurde ("no problem at all").

Der ganze Schwarzwald ist ja zugepflastert mit nicht nur ausführlichen, sondern ausführlichsten Wegweisern mit Kilometerangaben zu allen möglichen (und unmöglichen - ich sage nur "Schöner Platz x,y km") Zielen. Manchmal genügt ein Mast kaum für alle Schilder.

Blöd nur, daß umgekehrt an den roten Rauten unterwegs gespart wird (oder diese schon länger zugewachsen sind) und eben die Wegweiser nicht ein-eindeutig sind oder an einer Abzweigung gar keiner zu finden ist.

Ein Hoch auf das GPS und Martins Track !

So finde auch ich den richtigen Weg hinter dem Nationalparkhaus zurück in den Wald und auch derartige Monster am Weg können mich nicht von selbigen abbringen: 

Von oben ist der Blick an den vier Ski-Sprung-Schanzen hinab schon auch beeindruckend und daß aktuelle die Frauen-Weltspitze den Schatzenrekord bei ca. 96 Metern auf einer K85-Schanze hält.

Nur nein Mal wird heute die B500 gequert und dann geht es nur noch durch den Wald.

Am heutigen Sonntagen begegnen mir durchaus öfter mal ein paar Leute, aber überlaufen ist die Gegend abseits der Touri-Magnete definitiv nicht.

Ich bin ja direkt froh, daß am Schliffkopf mal eine Frau auf einer Bank sitzt, die mal ein Foto von mir an diesem schönen Tag macht:

Die Handschuh-Verschwörung ist überall, der Kosmonaut hat es ja schon immer gesagt:

Auf und ab, links und rechts, Pfade und Schotterstraßen geht es entlang.

Meist ist man auch ausreichend (zumindest für mein defizitäres Gehör) von der Hochstraße entfernt, um nicht dauernd den Verkehrslärm im Ohr zu haben.

Kurz vor Zuflucht (die haben schon tolle Namen hier) sehe ich dann diese Zuflucht einer Familie zum Ausbrechen aus dem Alltag:

Also Platz dürften sie darin jedenfalls genug haben.

Die Gastronomie in der Zuflucht lasse ich rechts liegen, denn ich habe grob im Kopf, wann der Bus alle Stunde an der Alexanderschanze fährt und hatte vor 3,25 Stunden (bei meinem zweiten Stelldichein in Ruhestein) schon darauf spekuliert...

... daß sich das ausgehen könnte, wie die Österreicher nicht nur im wörtlichen Sinne meinen.

Letztlich scheine ich aber so gut im Plan zu sein, daß ich an dieser Stelle von Guerrilla-Marketing noch eine Pause von 10 Minuten einzulegen gedenke.

Ob der Kärntner Wanderführer-Autor auch über derartige Maßnahmen nachdenkt ?

Während ich noch über diese Frage sinniere, kommt Heinz, ein Westweg-Wanderer mit Zelt, vorbei:

Naja, eigentlich kommt er eher NICHT vorbei: Als er meinen großen Rucksack sieht (auch wenn der heute halb leer ist), setzt er sich kurz nach Beginn eines Gesprächs zu mir und ist erfreut, einen weiteren Westweg-Begeher zu treffen und ein wenig zu quatschen.

Sehr ungern unterbreche ich nach einer Weile, aber jetzt presiert's ein wenig, wenn ich nicht meinen Bus verpassen und 60-x Minuten warten will.

Ich verabschiede mich rasch, lege aus dem Stand eine Tempoverschärfung vor, eile mit einer Erklärung im Vorbeigehen an respektvoll auf dem schmalen Pfad Platz-Machenden (Stockklappern im Nacken, you know ;-) vorüber und bin 5 Minuten vor der planmäßigen Abfahrt an der Bushaltestelle neben dem Lost-Place, der angeblich bis 2015 noch bewirtschaftet und das Etappen-Ende war:

Man glaubt es kaum.

Nein, NICHT die Sache mit dem Hotel, sondern - Ende gut, ALLES gut - die Sache mit dem Blaubeerkuchen:

Sorry, die Spitze war so schnell weg.

Lucky Luke mag schneller als sein Schatten schießen, aber manchmal könnte es sein, das ich mit der Gabel schneller bin als ein Foto-Apparat auslösen kann :-)

Man sei vor mir gewarnt.

Aus gegebenem Anlaß sei zu diesem Blaubeerkuchen erwähnt:

  • der hätte auch Mariannes Zustimmung gefunden (auf der TMB um den Mont-Blanc mußten wir ja mal 1,5 Etappen gehen, weil Kellner und Blaubeerkuchen Tagesziel am Nachmittag disqualifziert hatten)
  • fruchtig, aber nicht zu süß
  • RICHTIGER Mürbteigboden (steinhart dunkel-braun und nicht butterig-weich käsig)


Begegnungen:

- 1 Fernradwanderer

- Nationalpark-Rangerin mit zwei Dackeln

- Stephan, ein Einheimischer

- Heinz, ein Westweg-Wanderer mit Zelt bis Hausach


1.000er:

- Seekopf (1.037 m)

- Schliffkopf (1.055 m)

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