Mittwoch, 25. Mai 2022

Tag 67: Achterbahnfahrt der Sinne

 Hausach - Silberberg
(22,0 km - 1.380 Hm auf - 550 Hm ab)

Die Nacht war ein Traum: Tolles Zimmer, super geschlafen, gewaschenes T-Shirt komplett getrocknet und das allerbeste: Dem Kerl fehlt nichts - als wäre gestern nichts gewesen (von wegen nicht mehr der Jüngste, wie böse Zungen vor dem Start tollkühn behaupteten ;-).

Das Frühstück nehme ich zusammen mit Jörg ein, ihn hat der Abstieg gestern aber an den Knöcheln zugesetzt, so daß er heute mit dem Gepäcktransport auf die Wilhelmshöhe fahren wird, einen Ruhetag plant, so daß wir uns evtl. in zwei Tagen wieder über den Weg laufen könnten.

Gerade vom Frühstück zurück auf dem Zimmer, geht draußen die Welt unter: Es schüttet, was es nur schütten kann.

Oh, mein Gott, gut daß ich noch nicht unterwegs bin. Ich aktiviere den Trödelmodus (fällt mir nicht sonderlich schwer).

Letztlich mache ich mich erst um 09:30 Uhr auf den Weg ein Mal längs nach Westen durch Hausach, wo es immer mal wieder etwas oder auch etwas mehr regnet, aber ich bleibe erstmal eisern. Dickkopf bleibt Dickkopf.

Kaum führt der Weg von der Hauptstraße weg geht es steil bergauf. Richtig steil. Halbe Sachen kennen die Haussacher wohl nicht: Breites Tal. Bretterl eben. Aber wehe Du willst nach Süden oder Norden raus/rein...

Als kleine Auflockerung kommt als kleine Zwischenmahlzeit die Ruine Hussen beim heutigen Höhenmeterfressen:

Den Irrgarten lasse ich zur Sicherheit mal rechts liegen und die Wegfindung ist heute auch kein Problem: Entweder steil bergan oder leicht bergab, wie das auf einer Achterbahn halt nun Mal so ist.

Zwischendrin gibt es noch gewichtige Weisheiten am Weg:

Aber die Sache mit den Sinnen soll sich heute im Tagesverlauf noch bewahrheiten...

Aus dem interessanten Selbstbedienungs-Kühlschrank am Weg nehme ich mir zwar nichts, aber wie ich abends in der Unterkunft erfahren werde, hat hier ein Wanderer die im Hotel Blume vergessene Trinkwasserflasche substituiert.

Kaum im nächsten Waldstück, schon geht es wieder steil bergauf.

Als ich eine kleine ebene Fläche mit einer Schutzhütte erreiche, nehme ich das örtliche Multifunktions-Musikisntrument sicher wahr und ganz kurz etwas blaues relativ.

Gehört habe ich aber nichts.

Noch nicht.

Kurz danach aber schon. Und etwas blaues gab's da auch. Die drei Mädels von gestern (Hohenlochenhütte).

Kathrin, Iris und Steffi sind guter Laune (vor allen Dingen im Aufstieg diejenige mit Rücken und ohne Rucksack - wobei die anderen beiden zum Ausgleich schonRücken für 2022 bzw. 2023 planen, denn nach dem Harzer Hexenstieg haben sie wohl so etwas wie einen Lauf).

Immerhin wissen sie, wie man Raubtiere domestiziert: Schon nach kurzer Zeit fresse ich ausgerechnet Steffi (ich sage nur "Kommentare") zwar nicht aus der Hand aber immerhin der Dose.

Böse Zungen (von der Seite) munkeln etwas von Gewichts-Optimierung, aber ich fand's lecker ;-)

Und weiter geht es steil bergauf. Alle haben immer über den Aufstieg nach Forbach geflucht, aber ich finde den heutigen ob seiner Steilheit deutlich unangenehmer.

Auf den Höhen gibt es heute dann wahlweise (Barock-)Schanzen von der früheren "Schwarzwaldlinie" oder Windräder, die heute im Wind rhythmisch zischen. 

Zwei mal im weiteren Verlauf will auch noch ein (optionaler) Felsen bestiegen werden, wobei es auf die paar Höhenmeter nun auch nicht mehr ankommt.

Etwas später laufe ich auf Stephane auf, der trotz seines 25-Kilo-Rucksacks eigentlich viel schneller als ich unterwegs ist:

Der Litauer ist gerade auf Low-Budget-Tour quer durch Europa, von Holland nach Pforzheim getrampt, gerade auf seiner ersten (Mehrtages-)Wanderung und läuft schon mal schnell 40 Kilometer zum nächsten Supermarkt, wenn er morgens beim Aufwachen im Biwak merkt, daß er gar nichts mehr zu Essen hat. Für mich eine Horror-Vorstellung, er nimmt's locker.

Na, hoffentlich nehmen die Stiere in Pamplona - einem seiner weiteren Ziele (nach etwas Chillen in Italien und der geplanten Tour du Montblanc (TMB), die er zwar nicht aussprechen kann, ich aber sofort weiß, was er meint) - ihn nicht locker auf ihre Hörner. 

Wir treffen uns heute noch 2x und bei einem längeren Gespräch fragt er mich nach jeder Menge Wander- und insbesondere TMB-Details. "Only one more question..." wird zur geflügelten Phrase zu beiderseitigem Grinsen :-)

Von wegen "am Farrenkopf" (dem ersten Gipfel) habe man das meiste überstanden: Würzige Steilanstiege gibt es heute über die ganze Etappe verteilt.

Ob am Herrenwälderhof zu scharf gewürzt wurde, weiß ich nicht, auf alle Fälle mal zu heiß gekocht: Mehr als der steinerne Türrahmen ist de-facto jedenfalls nicht mehr über:  

Die Vesperstube am Silberberg ist idyllisch und einsam gelegen und hier finden sich dann auch Alex + Rüdiger ein, denen ich kurz vorher beim Quatschen mit Stephane bereits begegnet war und auch Judith und Steffen übernachten hier, die mir alle in der Blume schon über den Weg gelaufen waren.

Das typische Feeling auf bekannten Weitwanderwegen (samt Streckenfunk) ist längst aufgekommen und so sitzen wir noch ewig pallavernd draußen, bis mir wahlweise fast die Augen zu fallen oder ich nahezu erfriere (trotz Fleecepulli).

So ziehe ich in mein Penthouse mit ca. 150 Quadratmeter zurück, schließlich gehört mir heute die gesamte oberste Etage:


Die Doppel-Etappe vom Vortag hängt mir auch nach der anstrengenderen - aber aus meiner Sicht bisher schönsten (hoher Single-Trail-Anteil, kaum (Forst-)Straßen, abwechslungsreich) Westweg-Etappe - von heute nicht nach, vielleicht bin ich schon voll im Flow...


Begegnungen:

- 1 Eichhörnchen

- 2 Eichelhäher

- KIS(S): die 3 Frauen von gestern (Kathrin, Iris und Steffi aus Hamburg - ohne S(chminke))

- Stephane, der Low-Budget-Europa-Erkunder aus Litauen

- Alex und Rüdiger

- Judith und Steffen


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