Donnerstag, 28. April 2022

Tag 61: Über's goldene Ziel hinaus geschossen ?

  Kämpfelbach/Bilfingen - Pforzheim - Neuenbürg (Enz)
(24,7 km - 500 Hm auf - 360 Hm ab)

Nachdem das nächtliche Bleibe-Etablissement kein Frühstück bietet, mache ich mich schon kurz vor 08:00 Uhr auf die Socken.

Naja, und die Bergstiefel habe ich auch noch drüber gezogen: Soll ja keiner sagen können, ich habe übel ausdünstende biologisch-chemische Waffen zurückgelassen.

Am Vortag war ich ja südlich von Stein gen Südwesten abgebogen und über den Hügel zu meiner Unterkunft gekommen, weswegen es nun erstmal gen Südosten aus dem Ort in den Wald und auf den Hügel hinauf geht.

Am Waldrand führt dann aber nur ein Weg in die falsche Himmelsrichtung (Norden) und der (in der Theorie) zu Hause geplante Weg ist schlicht nicht auffindbar. Da hilft weder Augenreiben, noch Weinen, noch eine Neuberechnung (egal ob mit oder ohne - simulierter - Dyskalkulie): Da ist einfach NICHTS.

Mein Vorteil: Das Gelände ist eine ziemlich offene Graslandschaft, durchzogen von Hecken und Gehölzen, sowie einzeln stehenden Obstbäumen.

Also wird erstmal Spuren im Gras gefolgt und letztlich nach grober Richtung und GPS vor-, die Hindernisse um- und der Nase nachgehend vorangeschritten.

Der Ameisenberg ist schon speziell: Kleine Hüttchen und augenscheinlich privat genutzte Grundstücke, allerdings ohne Zufahrtswege, Zäune, Privat-Schilder oder ähnliches und außer mir treibt sich hier am frühen (nach acht Sonnen-Tagen erstmals) bewölkten Morgen auch sonst niemand herum.

Teilweise spaziere ich einfach mittendurch:

Zielsicher treffe ich kurz vor einem Straßenknick auf den direkt von Norden kommenden E1.

Die vom Kärntner Wanderführer-Autor auf Seite 137 so markant beschriebene Markierung "das WEISSE Andreaskreuz auf einen GRÜNEN Hintergrund [ge]bettet" fällt einem da natürlich links des Weges am Baum sofort wieder ins Auge:

Ups, hat sich da irgendwo ein Fehler eingeschlichen ? - Also ich hätte da ja schon eine wettfähige (wenig gewagte) These... ;-)

"EIN Geisterfahrer ?" ... sprach der begeisterte Geisterfahrer entgeistert zur Geisterfahrer-Meldung im Radio ... "HUNDERTE !"

So viel zum Kommentar, daß jemand nur die Hälfte verstehe. Andere wären über eine derartige Ratio mancherorts möglicherweise schon stark erbaut. Das mag aber wieder ein anderes Thema sein.

In Ispringen, einem Vorort von Pforzheim, komme ich an einem - zugegebenermaßen sehr hübschen - Seifenladen vorbei, wo kräftig für entsprechend wohlriechende Produkte bis an die Straße hin geworben wird.

Ob ich's nötig habe ? - Bin doch ein sauberes Kind, aber deutlich mehr als 200 Kilometer stecken seit Frankfurt schon wieder in den Schuhen...

Bereits kurz danach (auf dem nächsten Berg) ist der Stadtrand meines aktuellen Abschnitt-Ziels erreicht: Die Goldschmiede-Stadt Pforzheim.

Bereits kurz vor 10:00 Uhr bin ich am alles andere als repräsentativen Bahnhof (weswegen ich Fotos davon der Menschheit ersparen möchte). Mein Zug fährt gegen 17:30 Uhr.

Hat die Dyskalkulie der B.-B. vom Bodensee auf mich abgefärbt oder hat SIE mit IHRER These der mafiösen Störstrahlung über weitere knapp 375 E1-Kilometer oder ein wenig Schwarzwald hinweg gar Recht ? - Nun, derartigen Einfluß maße ich mir nicht annähernd an, nehme SIE es als wohlmeinend schätzendes Attribut, was sich Informatik- und Mathematik-ProfessorInnen geziemt, daß das banale (korrekte) Rechnen bei komplexen 2-Operanden-Additionen oder gar -Subtraktionen im Werte-Bereich zwischen -20 und 22 (Delta: näherungsweise ca. 42 in 2022) einfach unter IHRER Würde sei :-)

Meine temporale Diskrepanz läßt sich jedenfall einfach integral durch die Überwindung einer weiteren örtlichen Diskrepanz auflösend beseitigen: Auf zum Schnuppern mitten hinein in die erste (halbe) Schwarzwald-Etappe !

Zwischendurch noch eine Quizfrage für die Flug-Tier-Experten: 

Wem fällt zu diesen Herrschaften, die innerstädtisch in der Nagold schwimmen, in naturfarbener Harlekin-Misch-Lackierung ein passender Name ein ?

Die innerstädtischen Farben- und Formen-Auswüchse weise ich vorerst noch geistigen Irrungen (geschmacklich) ver(w)irrter (Goldschmiede-)Künstler zu.

Durch Parkanlagen...

... mit Frühlingsanleihen ...

... verlasse ich Pforzheim im Süden, um sogleich an der Stadtgrenze im Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord persönlich und überdimensional begrüßt zu werden:

Tja, und wie mir jetzt Schwarz (am nahen, entsprechenden Wald) auf Weiß erläutert wird, muß ich mich wohl erstmal 3,5 Wochen in eine (theoretische) Umschulung begeben, bevor ich am 19. Mai 2022 ernsthaft auf dem Westweg durch den Schwarzwald marschieren kann, denn die meinen es ernst, mit diesen Rauten in unterschiedlichen Verfärbungen und partiellen Klecksereien:

Nicht nur die Römer spinnen !

Und eine Porta-Nigra-ähnliche Konstruktion haben sie hier auch noch hinterlassen bis aufgestellt.

Statt goldenem Buch (wie in Monaco 2014) gibt es hier eine Goldene Pforte und es ist zwar mein letzter Tag meiner kleinen Osterwanderung, aber in der Schwarzwald-Sache quasi erst der Anfang vom Ende:

Ein wenig Westweg (bis zum Querweg) habe ich in Richtung Pfingsten (merke: Pfingsten ist südlich !) noch vor mir:

Der Beginn des Weges ist jedenfalls SEHR ansprechend und der West- und der Mittelweg trennen sich auch bereits nach kurzer Zeit...


Solche Sperrungen habe ich zuletzt häufiger mal gesehen, verstanden habe ich sie allerdings nicht: Weder was sie mir sagen wollen, noch für wen sie eigentlich gelten, geschweige denn, wo da eigentlich die Baustelle ist. Sicherheitshalber lasse ich Arbeit und Reste von IQ (die mir mein Vater mutmaßlich sowieso absprechen würde ;-) beim Weitwandern immer zu Hause (viel zu viel Ballast), so daß ich mir da immer lieber mehr weniger Gedanken mache.

Und übrigens - Kinder lesen jetzt mal lieber nicht weiter - es wird sprichwörtlich nichts so heiß gegessen wie es gekocht wird: Explosiv ?

Apropos optimales Timing: Am nächsten Tag wird der (Dauer-)Regen in Süddeutschland Einzug gehalten haben. Ähnlich wie mit Marianne 2010 bei der Tour rund um den Mont-Blanc (TMB) habe ich die Schönwetter-Periode optimal bis zum letzten Quentchen genutzt - vom leuchtenden "Heiligenschein" auf meinem Haupte (da hat das Kopftuch Bräune vermieden) mal ganz abgesehen ;-)

Nahezu auf der Zielgeraden stehe ich dann bestimmt eine knappe halbe Stunde vor diesem Schlamassel:

Ich bin doch ein sauberes Kind (man muß das nur oft genug wiederholen, dann glaubt man selbst dran, sagt die Hausfrauen-  *äh* Hausmann- *äh* häusliche Laien-Psychologie), aber da hilft weder Beten, Fluchen, Meditieren oder Halluzinieren. Da hilft (wie in den hohen Bergen mit den tiefen Abgründen) nur: Augen zu und durch.

Gegen 14:00 Uhr erreiche ich dann mein wahres Tages- und Oster-Abschnitts-Ziel: Den Bahnhof von Neuenbürg an der Enz, welches der von mir beschäftigte Planer wohl bereits im Herbst 2021 im Sinn hatte, als er die Etappen zurechtschnitt.

Gespannt und bereits ein wenig in Vorfreude auf den nächsten Abschnitt auf dem E1 - geplant für Mitte Mai bis Anfang Juni 2022, nehme ich die S-Bahn nach Pforzheim, scheitere dort fast daran, irgendeinen Bäcker/ein Cafe zu finden und bekomme die drei Stunden bis der Zug gen Nürnberg geht, denn doch irgendwie noch rum.

Das Beste an ganz Pforzheim übrigens: VIER richtig große, richtig gute, richtig mohnige Mohnbrötchen (das späte erste Frühstück war dann gegen 12:00 Uhr an einem Friedhof). Ich mag es, wenn ein Plan aufgeht. Ich liebe es, wenn sich Kreise schließen (für diejenigen mit Erinnerungslücken: Mooooooohn). Und die besten Kreise sind manchmal die, die man erst sieht, wenn sie sich dann geschlossen haben. Und das kann manchmal dauern. Zuweilen Jahre. Viele Jahre...

Alles andere als ein April-Scherz (sondern evtl. eine sehr späte März-Erkenntnis ?) !


Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr dann im Mai (diesen Jahres) wieder (mit) am Start seid und mal sehen, ob ich nicht auch im dunklen großen Wald Südwestdeutschlands wieder das (zusätzliche) Glück habe, daß sich das eine oder andere bekannte Gesicht blicken läßt oder die andere oder die eine sonstige spannende Begegnung anfällt...


Begegnungen:

- 1 Eichhörnchen

- Frau vor Apotheke, die mich wohl für Westweg-Wanderer hält

- 1 Eichelhäher, der von einer Krähe gejagt wird (oder umgekehrt)

- Pärchen vor Bäcker, die mich abends in Pforzheim ansprechen

- 1 Reh (aus dem Zug gesehen)

- 1 Kaninchen auf dem Spazierweg durch's nächtliche Nürnberg-Langwasser


Montag, 25. April 2022

Tag 60: Das Stein des Anstoßes

Gochsheim/Kraichtal - Kämpfelbach/Bilfingen
(27,6 km - 580 Hm auf - 550 Hm ab) 

Ein weiterer (und letzter) Tag mit blauem Himmel und Sonnenschein. Der achte mittlerweile in lückenloser Folge seit meinem Start am Karfreitag in Frankfurt am Main.

Nachdem meine Oma mich noch vor Schnee und Kälte warnte (sie hatte im Unterschied zu mir im Vorfeld Wetterberichte studiert - wird aus meiner Sicht wahnsinnig überschätzt: habe in all den Jahren noch niemanden getroffen, der das Wetter ändern konnte), bin ich neben meiner 2021er-Errungenschaft (Rucksack-Regenschirm) auch mit Handschuhen, Mütze und Ärmlingen ausgerüstet unterwegs - also mein Wanderrucksack enthält zumindest all diese Eventualitäten-Gegenmaßnahmen-Options-Pakete.

Frohen Mutes komme ich auf planiertem Forstweg durch den frühlingshaften Wald flott voran.

Um drei Ecken zu denken, gilt gemeinhin ja als eine meiner Spezialitäten. Demzufolge bin ich hier quasi ganz in meinem Element und muß gar nicht lang, ob der Bedeutung grübeln:

Und hey, immerhin werden meine konsequent (zumindest zuweilen im nachhinein) verständlichen ein-wortigen Hinweise bei "Just One" seltenst Opfer von Duplikat-Eliminierung ;-)

Auf den hügeligen Höhen ist es - wie zumeist in den letzten Tagen - allerdings windig frisch und somit schnell weiter in den nächsten Ort Büchig, wo ich mit der einheimischen Ursula ins Gespräch komme: Sie erzählt mir von einem deutschen Fernwanderer, den sie im Ort unlängst getroffen und mit Wasser ausgeholfen hat. Dieser ist schon seit November 2021 von Spanien aus zu Fuß unterwegs gewesen und will ebenfalls (wie der Franzose die Tage) im Oktober (also nach 1 Jahr ohne Unterbrechung) am Nordkap ankommen.

Da halte ich es doch etwas weniger bekloppt mit Jürgen Klopp: "The normal one".

Im nächsten Wald dröhnen dann die Motoren: Mit kleinen Fichten-Mopeds gegen massive Buchen ankämpfen, ist schon auch eine Geduldsaufgabe...

Bretten ist dann in der Folge mal wieder ein größeres Städtchen und laut dem Rother-Wanderführer eigentlich Etappen-Endort, allerdings finde ich 11,8 Kilometer für einen Tag denn doch etwas unterdimensioniert, weswegen ich bereits zu Hause das Tagespensum planmäßig etwas verlängert und die Übernachtung ein wenig abseits des E1 gelegt habe (ein Hügel mehr geht immer ;-).

Aber eines nach dem anderen und erstmal durch das hübsche Städtchen und Geburtsort von Philipp Melanchthon - übrigens nicht von ungefähr verstorben in Wittenberg.

Der Mann machte gemeinsame Sache mit Martin Luther und ja "Reformation" hatte ich kürzlich bei "Just One" auch zu knacken gehabt: Meine Spielerrunde hatte aber auch gut erklärt. Fast ohne drei Ecken und so (wobei die Kopf-stehende Verwandtschaft wohl schon "SaaS..." und "Saas ..." unterscheiden und auf ein mit Zauberkräften ausgestattetes, weibliches Wesen kommen könnte, auch wenn jenes NICHT aus der Schweiz kommt und NICHT Ski fährt) ;-)

Viel naheliegender ist augenscheinlich die ganzheitliche Verwendung von leblosen Pferde-Leibern hier in Bretten:

Weiß doch jedes Kind:

  • nicht mehr zum Reiten
  • Kopf für die Mafia
  • Rest in die Wurst/Rouladen
Apropos: Die Chefin der örtlichen, italienischen Eisdiele verwickelt IlPadrino am Morgen auch gleich noch in ein nettes Gespräch am Rande der Fußgängerzone, bevor es dann wieder auf den nächsten Hügel und ab in den Wald geht. 

Dort haben sie dutzende von uralten Grenzsteinen extra markiert, vermutlich damit die Holzkutscher sie nicht umfahren:

Am Ende des langen Waldes - ohne Sitzgelegenheit - und kurz vor der Pausen-Bank am sonnigen Waldesrand dann ein entscheidender erster Hinweis:

Nein, NICHT mein Etappen-Endort - auch wenn es natürlich stilecht für eine K2-Fernwanderung gewesen wäre - aber immerhin...

... alle Wege führen irgendwie über (ein) Stein :-)

Dieses Stein hat zwar weder schwedische Gardinen noch Schwerverbrecher, hat weder böse Nachbarn noch eine verfallende Kapelle und mit der Schweiz hat es auch nichts zu tun, dafür ganz viele hübsche Fachwerk-Häuschen:

Kurz vor dem Ortsrand, läßt mir ein älterer Herr trotz Fahrrad an einer Engstelle und seinem früheren Erreichen selbiger den Vortritt. Wir kommen ins Gespräch und er erzählt mir, daß er mit 66 Jahren nochmal mit dem Rad zu seiner Tochter nach Wien geradelt ist - nachdem er das 50 Jahre vorher - da gab es die Tochter wohl rein rechnerisch* noch nicht - schon mal getan hatte.

Mmmh, etwas Tolles nochmal tun: Ich hatte ja schon auch mal wieder an München-Venedig gedacht...

Aber NEIN, Anna und Martin: DAS steht NICHT auf dem Plan für den Sommer (2022).

Die letzte (vermeintlich) Prüfung des Tages führt schließlich nochmal richtig steil jenseits von Stein den Berg hinauf und dann gemäßigt über den Hügel.

Bevor es auf der anderen Seite in den Schlußspurt bergab und an einer Großbaustelle vorbei in den Ort geht.

Kurz vor dem Quartier, bremst mich dann die bucklige Verwandtschaft auf der Rückfahrt aus der Schweiz telefonisch aus, was die folgende Katastrophe nach sich zieht:

Fünf Minuten später stehe ich an meiner Unterkunft. In der Schlange. Am Ende.

Das ist ein Hotel/eine Pension nicht nur ohne Restaurant, sondern auch ohne Frühstück und ohne Personal. Gut, letzteres hätte jetzt bei mir auch letztere Priorität, aber das ist wieder ein anderes Thema ;-)

Jedenfalls scheint eine (heterogene) Gruppe an Heavy-Metal-Fans (zumindest den martialischen T-Shirts - Manowar ist aber nicht dabei - und der dominierenden Nicht-Farbe-Schwarz nach zu urteilen) gerade angekommen zu sein und muß nun serialisiert den Check-in-Automaten bedienen.

Und den letzten beißen bekanntlich die Hunde. Und damit meine ich nicht mich, sondern den letzten (armen Hund) aus der Gruppe: Baujahr 1965. Herkunft Frankreich. So viel erkenne ich auf dem Display selbst ohne Brille und auf Deutsch aus der Ferne.

Genau das ist auch das Problem: Wie ich später feststellen werde, kann der doofe Automat (haben die Betreiber wohl gespart) nur Deutsch, Englisch und Italienisch (eine Reminiszens an die Mafia ? - an geographischer Nähe kann es im Vergleich ja eher weniger liegen...).

Nun, hätte ich doch mal den Französisch-Grundkurs dem Englisch-Abi vorgezogen oder zumindest Deutsch bis zum Abschluß absolviert (wie sich manch einer evtl. zuweilen wünschen mögen könnte). Nichtsdestowenigertrotz biete ich dem Herrn vor mir schon im eigenen Interesse (ich muß schließlich spätestens vier Tage später wieder auf der Arbeit sein) Hilfe an. Mit Händen und Füßen. Gemeinsam sind dann die elektronischen Hürden schnell beseitigt und der gute Mann auch mit einem Zimmer und Zugangskarte versorgt.

Nach etwas Umherirren ist auch mein Zimmer gefunden, wenn mich nur die Verwandtschaft nicht schon - gefühlt - wenige Minuten später wieder aus dem Schlaf wird gerissen haben: Taxi kommt in 15 Minuten. Mein Groß-Cousin oder das Patenkind meiner Mutter kommt samt besserer Hälfte (Berechnung ergaben ca. 16 Jahre seit der letzten Begegnung mit letzterer) auf einen 40-Kilometer-Sprung extra vorbei.

Ein schöner Abend mit Marina und Ingo beim Italiener im Nachbarort folgt, wobei der dortige Chef wahrscheinlich noch einige Tage überlegen wird, warum da zwei Gesichter aus der Nähe von Calw aus dem Nichts mit einem ruhig schmunzelnden, braungebrannten, seltsam beschuhten Kerl mit großem Hunger begleitet just ihm ihre Aufwartung machten - zumindest zeigen das seine Frage-Versuche und die deutlich ins Gesicht geschriebene Denker-Miene :-)

Vielen Dank für den schönen Abend Ihr beiden !


* Apropos offene Rechnung: Mit der demoskopisch evtl. etwas verpeilten Strahlungs-Wissenschaftlerin vom Bodensee werde ich am Ende dieses Abschnitts dann morgen noch abrechnen (hätte sie vielleicht doch mal den Physik-LK dem Französischen vorziehen sollen)...


Begegnungen:

- 1 Feldhase

- Ursula in Büchig

- Fichtenmopeds und Betreiber

- 1 Milan

- nette Eisdielenbetreiberin in Bretten ("Europawanderer")

- 1 Fernradler

- 1 Eichelhäher

- 1 Kleiber

- 1 unsichtbarer Specht

- 1 Eichelhäher

- älterer Herr, der mit 66 radelnd Tochter in Wien besucht hat und 50 Jahre vorher schon mal dorthin radelte

- überforderter Heavy-Metal-Franzose am Checkin-Automat (Deutsch/Englisch/Italienisch)

- Marina und Ingo (die extra angereiste bucklige Verwandtschaft aus Calw)





Freitag, 22. April 2022

Tag 59: Ganz in weiß

 Mühlhausen - Gochsheim/Kraichtal
(25,9 km - 530 Hm auf - 540 Hm ab)

Bezogen auf die Geschwindigkeitsform meines Fortwärtskommens bezogen auf den kompletten E1-Abschnitt Deutschlands komme ich mir ja schon ein wenig vor, wie folgender Geselle, der quasi mit Wohnwagen unterwegs ist:

Allerdings: Steter Tropfen höhlt den Stein und so geht es eben immer ein kleines Stückchen weiter...

Bereits kurz nach dem Verlassen meines Nächtigungsortes Mühlhausen lande ich in einem Wald, der mutmaßlich komplett Vampir-freie Zone ist: So wie es da nach Knoblauch riecht...

Aber Obacht, das ist weder dem Original geschuldet, noch künstlichen Aromastoffen. 

Philospohische Frage dazu am Rande: Zuletzt gab es ja wohl schon Vampirfilme, wo sich die Hauptdarsteller mit Blutersatzprodukten/Kunstblut zufrieden gaben (quasi analog zu "Analog-Käse" bzw. "Schummel-Schinken" ?). Reagieren die dann auch auf Kunstlicht und künstlich/industriell erzeugtem Knoblauch-Aroma ?

Von (schon immer) kaltem Käse halte ich ja sehr wenig und den Käse, den ich schreibe, produziere ich 100% digital. Garantiert, auch ohne Güte-Siegel.

Hier handelt es sich aber wohl eher um eine Form "natur-identischer" Aromastoffe, denn den Bärlauch könnte man hier mit Sense oder Balkenmäher ernten:


Apropos Hollywood-Filme: Aus welchem ist wohl dieses Gefährt entsprungen ?

Oder ist das ein neues Spielzeug von Elon Musk (Tesla) ?

Ob der professionell (und industriell) vorbereiteten Landeplattform mitten im badischen Wald kann ich mir jedenfalls keinen richtigen Reim darauf machen, aber der leichte Schwefelgeruch läßt auf teuflische Machenschaften schließen.

Teufel und Vampiren setzt man üblicherweise das Zeichen des Kreuzes entgegen. So auch hier. Auf einem - laut Karte ziemlich sinnlosen und ziemlich 1,5 Kilometer langen - Umweg gen Osten, führt der Weg an drei Steinkreuzen vorbei (ohne Martins Wegpunkte aus dem Wanderführer, hätte ich die Schlinge wohl entweder wegoptimiert oder weil ein paar Meter versteckt im Wald fast verpaßt).

Auf dem Foto im Buch sieht man einen mit Richterschwert und einen mit Schneiderschere, daß auf dem dritten (nicht abgebildeten) eine Schuhsohle sein soll ? - Kann ich ja auch kaum glauben, aber seht selbst:  

An der idyllisch angelegten Siegfrieds-Quelle gönne ich mir eine erste kleine Rast für heute.

Bei den Pausen bzw. deren Länge und Häufigkeit merkt man übrigens immer am schnellsten, wie sich bereits nach wenigen Tagen unterwegs der Bedarf reduziert: Nach einer Woche habe ich am Tagesende nur noch 40-50% der Gesamtpausenzeit auf dem Tacho stehen als am Anfang.

Durch ein beeindruckendes Hohlwegsystem im Lössboden führt mich der E1 dann kurze Zeit später hinüber in den Ort Odenheim, wo ca. die Hälfte der heutigen Etappe absolviert ist.


Bei der anschließenden Ortsdurchquerung mal wieder ein Blütenmeer:

Im Kraichgau hat sich die Landschaft nun bereits etwas verändert: Es gibt mehr Felder und neuerdings auch Weinberge am Weg und etwas weniger Wald.

Am Waldrand, mit Blick über eine entsprechende Szenerie, genieße ich meine Mittagspause:


Vor Münzesheim geht es direkt durch ein Privat-Grundstück und an der Hausecke dort scharf links abbiegend den Berg hoch: Der Odenwaldklub bewirtschaftet dort am Wochenende eine Ausflugshütte.

In Münzesheim Ost, begegnen mir noch ein paar stand- bzw. sitzfeste Gestalten - nur sonderlich gesprächig sind sie leider nicht: 


Meine Unterkunft im Hotel "Zur Stadtschänke" am Etappenziel in Gochsheim (nicht bei Schweindorf !) ist besonders (positiv) erwähnenswert, insbesondere im Vergleich zum sog. "Premium"-Zimmer am Vortag in Mühlhausen, wo außer dem Preis eigentlich nicht viel bis gar nichts "premium" war (das versprochene Restaurant im Hause, suchte ich heute noch).

Hier dagegen (übrigens für 60% des Preises):

+ nette/freundliche Menschen

+ Familienbetrieb

+ helles, geräumiges Zimmer in freundlichen Pastelltönen und hellen Echtholzmöbeln

+ großzüger Schreibtisch (die - scheinbare - Unordnung darauf wurde zu 100% von mir verursacht) MIT Stuhl

+ 3 DECKENlampen, 1 Schreibtischlampe, 1 Badezimmerspiegellampe, 2 Nachtischlampen

+ ausreichend Steckdosen

+ Ganzkörperspiegel

+ WLAN

+ Infozettel im Zimmer mit allen wichtigen Infos (WLAN-Paßwort, Essenszeiten)

+ Abstellmöglichkeit für Schuhe, auch wenn die mal dreckig wären

Bonus:

+ Zimmer ebenerdig

+ optimierte Wege zum Abendessen: 7m von der Zimmertür bis zum Tisch im eigenen Restaurant (das erste und letzte Mal bei meinen acht Übernachtungen im Odenwald)

+ auf dem Weg am Nachmittag zum Zimmer, fragt die Chefin gleich mal wegen Hunger/Abendessen (da hatte sie bei mir ja GLEICH den richtigen Nerv getroffen ;-)

+ als dann mein Essen kommt, bin ich froh, auf Vorspeise verzichtet zu haben:

+ Hinweis: Man nehme die Portion hausgemachte Spätzle als Standard-Kalibrierungs-Maßstab und skaliere in Gedanken die Bezugsgröße des Restes

+ einziger kleiner Abzug in der B-Note: eine Duscheinstiegshürde ist existent, aber im machbaren Bereich

Da kann man es sich als Wanderer wirklich gut gehen lassen :-) Was will man mehr ?


Begegnungen:

- 1 Eichelhäher

- 3 (Marianne würde sagen "junge") Damen beim Nordic-Walken, die mich ausfragen

- 1 Bussard

- noch so ein Raubvogel

- 2 Fernradler


Donnerstag, 21. April 2022

Tag 58: Jäger aus Kurpfalz

Ziegelhausen - Mühlenhausen
(29,99999 km - 760 Hm auf - 730 Hm ab) 

Vom Quartier geht es erstmal gen Süden ins Zentrum von von Ziegelhausen und dann zu einem Abstecher direkt ans Neckar-Ufer an diesem herrlichen Morgen. 

So klein und unbekannt dieser Ortsteil von Heidelberg sein mag, eine gewisse Bedeutung hat er, weil sich hier mein Europäischer Fernwanderweg E1 mit dem E8 kreuzt, der von Irland quer bis zum Schwarzen Meer führt.

E8 erinnert mich außerdem nochmal an R8 - dem Hessischen Radfernweg, den ich an Tag 54 erwähnte.

Was mich seither beschäftigt und dem ordnungsliebenden Autisten keine Ruhe läßt: Im allgemeinen schreiben wir in unserem Kulturkreis und unserer Sprache ja von links nach rechts. Und wir lesen prinzipiell üblicherweise nach dem gleichen Muster. Von den Zusatzschwierigkeiten in Zahlendarstellungen bzw. eigentlich nur (die Mathematik mit ihren Symbolen ist ja herrlich international) mit deren sprachlicher Schreibung und Lesung (Zwölfer-Hürde und Zehnern-Stellen-Paradoxon) mal ganz zu schweigen (wobei die Franzosen, da mit 4 * 20 + x auch nicht besser sind).

Worum es mir aber geht: Die Semantik (und deren systematischer, schrittweiser Aufbau) von zusammengesetzten Hauptwörtern.

Nehmen wir exemplarisch mal ein übliches Beispiel aus der Deutschen Sprache:

"Donaudampfschifffahrtskapitän"

Um zu wissen, WAS solch ein Objekt WIRKLICH ist, muß man es zuerst von links nach rechts komplett lesen, um es sich dann schrittweise von rechts nach links blockweise zu erschließen, wobei jede Teil-Zusammensetzung Sinn ergibt und je (ge)wichtiger, um so weiter rechts. 

Vereinfacht für das Beispiel:

1. das ist ein Kapitän

2. eines Schiffes

3. das mit Dampf betrieben wird

4. und auf der Donau unterwegs ist

Letztlich salopp aber einfach ein Mensch auf einem Kahn.

Zur Repetition noch ein anderes Beispiel "Weitwanderweg":

1. das ist ein Weg

2. zum Wandern

3. und ganz schon weit/lang

So, und nun zur Gretchenfrage für alle (Möchtegern-)Radler und SYSTEMATISCHEN Hüter der deutschen Sprache:

"Radfernweg" ?

Wirklich ?

 "Fernradweg" würde ich ja verstehen:

1. Weg

2. Radweg

3. lang

Aber "Fernweg" ?

"Wanderweitweg" könnte man ja noch als falsch geschriebenen Anweisung an unliebsame Zeitgenossen verstehen: "Wander weit weg !" - Synonym: "Geh, wohin der Pfeffer wächst" oder auch bildungssprachlich "mach doch Urlaub in Madagaskar" oder so ähnlich ;-)

Vielleicht kann ja beispielsweise eine ausgeschlafene Berufene Licht ins Dunkel bringen ?

Ok, ok, genug Gedanken-Akrobatik und zurück zum bald anstehenden Früh-Sport...

Beim Überschreiten des Neckar, bin ich über die folgende Installation scho au (wie manch Badener vielleicht sagen würde) erstaunt und insbesondere ob ihrer straßenverkehrstechnischen Zulässigkeit etwas im Zweifel:

Die Haar-in-der-Suppe-Sucher mögen jetzt mit mir schimpfen: Ich würde sie ja nicht suchen, sondern spalten.

Aber stellt Euch mal vor, jemand stellt nach diesem Muster folgende drei Verkehrsschilder im 20-Zentimeter-Abstand hintereinander vor einer Brücke im Tal mit Blitzer auf:

1. Überholverbot für mehrspurige Kraftfahrzeuge 

2. Geschwindigkeitslimit 30 km/h

3. Maximal zulässiges Gesamtgewicht 1,5 t

Da können alle Radler nur hoffen, daß zuerst ein LKW die Brücke zum Einsturz bringt, sonst wird's teuer.

Ich kämpfe mich aber unverdrossen einen langen, recht steilen Anstieg vom Neckartal 300 Hm hinauf auf die Odenwaldhöhen.

Wasser hat es oben dann aber stellenweise auch:  


Ab und an geht es mal durch ein Örtchen.

In einem der Dörfer werde ich zuerst auf einen Wegweiser aufmerksam - da muß sich der Franzose von gestern schon ranhalten:

5.000 km in 5 Monaten sind dann schon um die 35 pro Tag schnittweise geschätzt. Puh, das wäre für mich ja kein Urlaub ;-)

Aber in das Wegbuch direkt daneben trage ich mich gerne ein und überfliege, wer von wo nach wo alleine diesen April bereits hier vorbeigekommen ist.

Lauter Verrückte auf dieser Welt und fast täglich hier an dieser Stelle...

Durch Wald und Wiesen...

In der Sonne oder mal kurz mit etwas Schatten...

Letztlich lande ich bei diesem verspäteten Osterei mit Pickeln:

Was es nicht alles gibt auf dieser Welt.

Man lernt nie aus !

Apropos Lernen:

Im Landeanflug habe ich Meister Adebar ja noch für einen Idioten gehalten, denn er schien direkt vor dem Traktor niederzugehen, aber der Blickwinkel täuschte wohl. Der Bauer blieb auf dem Gas und der Storch seelenruhig stehen.

Kaum war der Bulldog mitsamt Bodenverarbeitung vorbei, stolziert der Kerl in aller Ruhe durch die Spur und sammelt augenscheinlich Leckerbissen ein:

Ich aktualisiere meine Meinung zu diesem Herrn: Faul, aber schlau.

Mutmaßlich hat er aus der Luft bereits entsprechende Sondierung vorgenommen, Bewegungsvektor des Traktors berücksichtigt, optimalen eigenen Landepunkt berechnet und entsprechenden Sinkflug eingeleitet.

Sphärische Trigonometrie kann der Storch, denke ich mir. Respekt. Da hätten bayerische Schüler jetzt vielleicht ein wenig zu tun...

Einige Meter weiter, glaube ich dann aber doch eher an einen vereinfachten planimetrischen Näherungsansatz aus der Praxis.

Zu guter letzt, sei meine heutige Vorspeise (Spanischer Salat) beim Italiener noch Karin von sukawo gewidmet:

Und er ißt sie doch: Die Vitamine.


Begegnungen:

- Eichelhäher

- (versteckter) Specht

- Eichelhäher

- großer Raubvogel im Wald

- 2 Mäusebussarde über Feld am Waldrand

- 1 fauler, aber schlauer Storch

- Maikäfer

- und noch ein Maikäfer