Samstag, 28. August 2021

Tag 35: It's tea time

Kleinenberg Essentho
(24,0 km - 530 Hm auf - 440 Hm ab)

Der Morgen beginnt grau (vor der Tür) und grandios (drinnen): Matt hat aufgetischt.

Von Ei über Joghurt, Nutella bis Wurst, Gemüse bis Früchte, O-Saft bis - ja, das ist das Highlight, was am Vorabend schon versprochen worden war - schwarzer Tee.

Also so RICHTIG (englischer) Schwarzer Tee - daß der Kanadier 11 Jahre auf der Insel gelebt hat, merkt man halt. Wie gut, daß er "nur" die feinen Tee- aber nicht die ...... Kochkünste von dort mitgebracht hat (Aufgabe: finde geeignete Adjektive für den Platzhalter) ;-)

Neben dem besten Tee seit der dänischen Grenze gibt es 4 Brötchen und 2 Scheiben Brot. Und gleich noch ein paar Papierbrotzeittüten zum Einpacken unterwegs. Das ist nämlich für EINE Person. Entweder sah ich besonders schlecht aus oder die Monteure die sonst hier viel nächtigen Essen für drei.

Beim Loslaufen hat es heute deutlich unter 20°C. Aber im Fadenkreuz der Wilderer und gleich mal 100 Hm gen Süden bergauf, zurück auf die E1-Markierung heizen einem ein, so daß man auch bei 16°C Außenherbst auf Betriebstemperatur kommt.


Zwischendrin ein interessantes Schild, was "zur Oma" weist, die hier ein paar Meter ab vom Weg im Wald steht:


Am Baum neben der kuriosen Felsnadel suche ich dann zwar (mal wieder) nicht, aber finde einen Geocache. Irgendwas mit "Großmutter", aber mutmaßlich eine PM-Dose denn abends wird sich im Wald südlich von Kleinenberg/Lichtenau nichts passendes auf der Karte finden.

An einem RIESIGEN Insektenhotel (ca. 20 cbm umbauter Raum) auf der Anhöhe und beim erreichen des E1, stelle ich mich erstmal kurz unter den der Niesel aus dem Nebel bzw. den tiefhängenden Wolken ist unangenehm stark geworden.


Also Überzieher auf den bereits angefeuchteten Rucksack und ausfahren meiner neuesten Errungenschaft: Ein Schirm. Aber nicht irgendeiner, sondern "handsfree" und "backpack".
Nachdem die Nachfragen vor Jahr und Tag bei der Wien-Kärnten-Autoren-Fraktion zu diesem Thema bzw. dem Nutzen im Mittelgebirgseinsatz eher ausgingen wie das Hornberger Schießen, hatte ich mich dieses Jahr zum Selbstversuch entschlossen.
Gut, daß nach knapp einer Woche unterwegs endlich mal passendes Schietwetter ist.
Also den Rucksackschirm in die dafür vorgesehenen und bereits zu Hause installierten Hardware-Erweiterungen geklippst, System hochgefahren und das nur (einfach) Achsen- (aber nicht Dreh-)symmetrische Teil vom Winkel her passend konfiguriert. 

Und weiter geht's...

Bald darauf kommen mir 3 junge Leute entgegen (2 Mädels + 1 Kerl), die gestern auf den Hermannshöhenweg gen Norden gestartet sind.
War ganz lustige Situation: Die beiden Mädels schauten sich am Fuße einer Felswand suchend um, ich stand oben und schaute mich suchend um (wobei ich vom GPS schon wußte, daß es einen großen Bogen zur Umgehung gab) und per Handzeichenkommunikation einigen wir uns auf die (richtige) Richtung - wo auch die männliche Vorhut der beiden bereits eine Foto-Falle platziert hatte, in die ich dann vermied hinein zu tappen.

Im weiteren Verlauf brachte der Tag wahres Aprilwetter. Das Herunterfahren der Schirmkonstruktion konnte immer im Laufen erfolgen, nur das richtige Verstauen erforderte das Absetzen des Rucksacks. Dafür brauchte ich keinen Anorak, keine Regenhose und mußte auch von der Ausrüstung (z.B. Fotoapparat) nichts wegpacken. Nachdem das System 1x klar (und optimiert) war, konnte das vom Rucksack nehmen und aufspannen dann allerdings sogar im laufenden Betrieb erfolgen.
Summa summarum: Funktioniert (bisher) in diesem Terrain ganz gut, allerdings ist das Zusatzgewicht mit knapp 600g aber auch nicht zu unterschätzen. 


An der Stadtwüstung Blankenrode (DIESE Stadt im Wald existierte nur 150 Jahre) kann man heute nur noch den Brunnen auf dem Hügel leicht entdecken, aber zwischendrin waren Audioinstallationen auf einem Lehrpfad für Kinder installiert, die durch Bewegungsmelder ausgelöst, einem verschiedene Situationen und Stationen aus dem früheren Leben hier näher brachten. 

Kurz bevor ich das Gebiet durch das (imaginäre) Stadttor wieder verließ, konnte man an dieser Stelle wohl nur einen DNF von "Suchern" vor mir konstatieren:


Hoffen wir mal für die Menschheit, daß das beborstete 4-beinige Schweine waren ;-)


Als ich gegen Mittags mich näher dem Studium der Mitbringsel vom Frühstück widmen will und ob der Sitzgelegenheit am Waldrand in Straßenknick noch nicht so ganz überzeugt scheine, hilft ein Blick auf's GPS, wo ich alle Unterstandshütten am E1 in Deutschland importiert habe: Jepp, 140m den Weg weiter erwartet mich eine super Pausen-Location:


Hinter dem "Haus" gibt es sogar Brennholz und Brunnen für Hunde:


Dort holt mich Harald ein (der 12-Tages-Weitwanderer, der mir ab dem Hermannsdenkmal immer wieder mal über den Weg gelaufen war). Wir kommen ins Gespräch und gehen bis zum nächsten Ort (seinem heutigen Etappenziel - ich habe dort noch 10km vor mir) zusammen weiter.
Er war schon in vielen Mittelgebirgen, an der Ostsee, im Baltikum, Polen, ... zu Fuß unterwegs. Meist mit Zelt. Nur hier hat er nach einer durchfrorenen Nacht (mit Jacke und allem was er hatte IM Schlafsack) bei Lemgo vom Zelten abgesehen und damals in Polen ("da waren die Quartiere so günstig, da habe ich Zelt und Schlafsack nach Hause geschickt").

Die Bleikuhlen nach Blankenrode sind ein Relikt des früheren Schwermetallabbaus. Teils in Tagebauform wie hier:  


Die Rückstände im Boden, an der Oberfläche und im Pflanzenwirksamen Wasser sind EXTREM. Kaum eine Pflanzenart überlebt dies, aber auch für solche speziellen Verhältnisse hat Mutter Natur etwas vorgesehen: Auf der ganzen Welt gibt es nur hier das violette Galmeiveilchen:


"Galmei" steht übrigens in der Fachsprache für giftiges Zinkerz.

Im Vergleich zu den letzten Tagen geht es heute immer wieder über Hügel und nicht nur auf diesen entlang, außerdem gibt es häufiger mal freie Abschnitte (mit Ausblick), auch wenn es dazwischen auch wieder größere (Laub-)Waldabschnitte gibt.


An manchen Stellen ist der Boden fast 10 Zentimeter mit (grünen) Nadeln bedeckt. Vom Sturm oder Anzeichen des Absterbens ?


Dann beginnt es mal RICHTIG zu schütten und die nächste Schutzhütte am Waldrand kommt wie gerufen. Als ich flott um die Ecke biege, muß ich erstmal eine Vollbremsung einlegen und die 3 anderen etwas zusammenrücken: Ein junges Pärchen, was in Bielefeld vor ein paar Tagen gestartet war (und augenscheinlich draußen übernachtet) ist hier mit dem 5-jährigen, kohlraben-schwarzen Hund untergekommen und wird ob des Wetters nur noch bis Marsberg gehen und dann heimfahren.


Nachdem der schlimmste Regen vorbei ist, geht es für mich in den noch gut 7 km langen Endspurt, wobei sich Sonne und Regen weiter abwechseln. 3-Wetter-Taft habe ich zwar nicht, aber mein Schirm hält beides ab :-)



Nach derartigen Schlammstrecken hoffe ich immer auf Säuberungsabschnitte, um in der Unterkunft nicht schief angeschaut zu werden.


Bisher ist sich das noch immer ausgegangen.


The trail provides.
In jeglicher Hinsicht :-)


Begegnungen:

- 3 junge Weitwanderer

- Eichhörnchen, das Männchen macht

- Harald aus dem Siebengebirge

- junges Pärchen mit 5-jährigem Hund, die in Bielefeld zu Fuß gestartet waren - gibt's doch gar nicht

- 2-köpfige Rentner-Gang an letzter Schutzhütte vor Essentho

- Debbie, die holländische Chefin in der Unterkunft


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