Sonntag, 19. September 2021

Tag 51: Die Römer im 7. Himmel

Idstein - Oberursel/Hohemark
(32,4 km - 840 Hm auf - 880 Hm ab)

Gut, daß Peter Frühaufsteher ist: 

Während ich um 06:45 Uhr nach der kurzen Nacht (wir hatten auch zu Hause noch eine Weile über Gott und die Welt sowie kleinere und größere Wanderungen/Aktivitäten gequatscht) noch halbwegs verschlafen aus dem Gästebett krabble, ist Peter schon hellwach und am Schreibtisch aktiv.

Nach dem Frühstück begleitet er mich am frühen Sonntag Morgen sogar noch persönlich zum Bahnhof, damit ich zurück nach Idstein komme, um dort gegen 08:00 Uhr vom Bahnhof auf die zweite Königsetappe dieses E1-Abschnitts zu starten.

Vielen Dank für alles, Peter !
Bis irgendwann und irgendwo...


Als ich nun Sonntag Früh durch die nahezu menschenleere Altstadt schlendere, zeigen sich viele der malerischen (Fachwerk-)Motive und Ansichten vom Vortag nochmal von einer ganz anderen und sehr ruhigen, im wahrsten Sinne des Wortes unverstellten Seite:




Schon nach kurzer Zeit liegt das Stadtgebiet von Idstein an diesem wunderschönen Tag hinter und der erste Hügel und Wald vor mir.


Unterwegs begegnen mir heute auf den Flurbereinigungswegen immer wieder folgende Hinweise:


Eine Fraktion wurde dabei aber scheinbar und augenscheinlich vergessen, die gerade just an diesem Sonntag hier SEHR aktiv auf einer Rallye zu sein scheint.
Hier gerade einige bei einer anstehenden "Sonderprüfung":


Das spezielle bei dem System der Balance-of-Powers bzw. Balance-of-Performance an anderer Stelle erfordert hier DEUTLICH weniger Technik und ist auch für (absolute) Laien wie mich leicht nachvollziehbar (egal ob die Zugmaschine nun ein Audi-, Mercedes-, BMW- oder Porsche-SUV war):
Einheitlich 1 PS, Allrad-Antrieb, keine Zusatztanks/Tankerweiterungen, keine Spezialbereifung, keine Spikes. Etwaige Zusatzgewichte haben alleine die Verantwortlichen der Renn-Ställe und die (überwiegend) Frauschaften am Steuer zu verantworten.


Ich bin jedenfalls froh, dort in der Gegend nicht unter die "Räder" zu kommen ;-)


Um die Halbzeit herum, nach dem Ort Glashütten (da ist der Name Programm !), beginnt im Wald ein Trail mit Glaskunstwerken und es sind ab hier plötzlich deutlich mehr Menschen am Anfang zu Fuß, später auch per Mountainbike unterwegs.


Ok, ok, ist halt auch Sonntag Mittag.

Der Europäische Fernwanderweg E3 (blaues Andreaskreuz auf weißem Grund), der in West-Ost-Richtung quer durch Deutschland (und übrigens auch durch Coburg) führt, ist hier ein ganzes Stück identisch zur Route des E1 auf der eigentlichen Nord-Süd-Achse:


Mmmh, warum kommt mir hier nur unmittelbar "Tischlein deck dich" in den Sinn !?


Schritt für Schritt geht es weiterhin überwiegend bergauf, schließlich bin ich am Morgen in Idstein auf gerade mal 270 Metern Seehöhe gestartet.


Die Paßhöhe "Rotes Kreuz" liegt bereits 688 Meter über dem Meer und laut dortigen Plakaten findet/fand hier in der Gegend heute auch ein Radrennen mit unterschiedlich langen Runden statt.
Da die Absperrungen aber am Rand stehen, kommt hier wohl keiner mehr vorbei und ich muß mir keine Sorgen machen, von überambitionierten Freizeit-Radlern womöglich über den Haufen gefahren zu werden.


Die Wegweiser zum Kleinen Feldberg kann ich getrost ignorieren, denn jener wird auf dem Weg zum Großen Feldberg nur tangiert.


Stattdessen geht es zu den Ausgrabungen des Feldberg-Kastells aus der Römerzeit.
Auf über 700 Metern gelegen, gilt es als das höchste Kastell am Limes.
Von dort aus wurde die damals bereits als Handelsstraße ausgebaute Paßhöhe kontrolliert.


Und dumm waren die Bauherren damals auch nicht: Statt am kargen "Roten Kreuz" direkt zu bauen, errichteten sie Kastell und zugehörige Siedlung(en) lieber etwas abseits, dafür mit fließend Wasser:


Auch Thermen hatten sie damals schon in ihrem quasi siebten Wellness-Himmel hier am Berg.
Das imponiert mir und läßt schon mal auf das Ende dieser langen Etappe im Hotel hoffen...

Davor geht es aber erstmal weiter bergauf.


Zwischendurch ist auch nochmal die Goldgelbe Koralle anzutreffen, von der der Kärntner Martin bereits im Sauerland so erstaunt über mein Auffinden war.


Nicht verwechseln sollte man den Speisepilz laut Wikipedia allerdings mit der bösen (= giftigen) Verwandtschaft: Bauchweh- und Dreifarbige Koralle (so mag manche Verwandtschaft bei Menschen zuweilen auch tituliert werden).


So langsam nehmen Wurzeln, Felsen und Steilheit auf dem Weg etwas zu.
Mir kommt das aber gerade recht.
Gefühlt fliege ich an den Wanderern bergauf vorbei.

Kein Wunder: Hatte ich mich doch in Peters Bastelabteilung bedient und eine BionX-Steuerungseinheit sowie ein Akku-Pack mitgehen lassen und direkt an Unter-/Oberschenkel angeschlossen.
Warum die auf der Produktseite allerdings so verklausuliert von "RR (rear rack): Akku-Montage im Gepäckträger" reden, statt einfach auf Deutsch zu sagen: Akku in den Rucksack, wie ich das heute morgen gemacht hatte ?

Von Stufe 1/4 hatte ich im Anstieg auf 2/4 aufgedreht.

Als nun ein Mountainbiker noch an mir vorbei will, lasse ich ihn (natürlich) erstmal gewähren (der Kumpel hatte da bereits resigniert), obwohl ich bereits am Morgen das grobstollige Alpin-Profil an Bereifung aufgezogen hatte:


Dann schalte ich auf Stufe 3/4 hoch (etwas Reserve will man ja noch haben), die Steuerungseinheit meines Akkus zeigt noch jede Menge Kapazität und per barometrischem Höhenmesser sowie topografischem Kartenmaterial bin ich natürlich auch gut vorbereitet auf das, was nun noch kommt.

Der Freizeit-Radler hat mutmaßlich wegen suboptimaler Technik in Kombination mit zunehmend schwierigerem Untergrund zu kämpfen.
Das metallische Klacken meiner Stöcke auf dem Fels und die damit immer wieder näherkommenden Einschläge verunsichern ihn augenscheinlich noch zusätzlich.

Mehrfach rutscht er aus seinen Klickpedalen bzw. kommt nicht mehr weiter, weswegen ich teils bis zum Stillstand abbremsen muß, wofür er sich mehrmals entschuldigt, um sogleich und umso hektischer wieder zu versuchen, Land zu gewinnen.

Lustiges Spiel. Normalerweise gehöre ich ja nicht gerade zu den ambitionierten Wettkampftypen, aber gerade die psychische Komponente bereitet mir hier (zugegebenermaßen) einen leicht sadistisch angehauchten Spaß.

Gezielt steuere ich noch arhythmische Wechsel zwischen Doppelstock-Schub- und Diagonal-Technik ein, was ihn augenscheinlich noch mehr aus dem Konzept bringt, wenn ich so in seine gehetzten Augen schaue.

Kurz vor dem Gipfel auf 8.815 dm über NN habe ich ihn dann überholt (das Leid war ja nicht mehr mit anzusehen) und quasi stehen lassen. 
Im Gegensatz zu diesem Radler (die anderen haben halt einfach geschoben) erreiche ich den Gipfel ohne aus der Puste zu sein und ziemlich entspannt ;-)

Da oben ist die Hölle los: Kein Wunder, führt doch eine asphaltierte öffentliche Straße bis zum Gipfel.
Die Maschinen von bestimmt fünf Dutzend Motorradfahrern, etliche Autos, unzählige Spaziergänger und eine große Schar an Radlern treibt sich hier oben herum.

Unter diesen Umständen will ich nicht lange bleiben, aber als das Kreuz mal nicht mehr so stark belagert ist, schaffe ich es immerhin noch, ein Foto von mir auf dem höchsten Gipfel des Taunus und meiner ganzen bisherigen Tour seit der Dänischen Grenze zu erhaschen.


Nun habe ich also den Hügel erklommen, der den Langenberg (den höchsten Sauerländer im Rothaargebirge) dominiert, wo ich an Tag 38 war.
Luftlinie liegen laut Wikipedia nur 118 Kilometer zwischen diesen beiden Gipfeln, ich war zu Fuß ziemlich genau die dreifache Strecke von mehr als 350 Kilometern vom einen zum anderen unterwegs.

Nicht verwechseln darf man den hiesigen "Feldberg" (wie die Einheimischen ihn nur kurz nennen: die Dame in Oberauroff (Tag 50) hätte da fast schon wieder Haus und Hof an mich verwettet/verspielt in ihrem Beharren, daß es keinen Beinamen gebe) natürlich mit DEM Feldberg (im Schwarzwald): Der steht dann auf dem E1 für 2022 auf der Agenda :-)

Die (Zusatz-)Schleife über den Gipfel des Altkönig mit weniger als 800 Metern Höhe spare ich mir dann nach dem "Fuchstanz" (Kreuzung im Wald mit Ausflugslokalen) und nehme den direkten Bypass-Weg, da ich heute am Ende insgesamt um die 33 Kilometer gegangen sein werde, bei für Mittelgebirgsverhältnisse ordentlichen 850 Aufstiegsmetern und noch etwas mehr im Abstieg. 


Sonntags kann man die großen Maschinen in den Wäldern endlich mal in aller Ruhe fotografieren:


"Ich habe fertig", hätte Giovanni Trapattoni dazu wohl gesagt:


Es ist mittlerweile Nachmittag, nur noch ein erst steiler Abstieg auf Forststraßen und dann noch ein an einem Bach lang gezogener Spazierweg sind es nun bis Oberursel.

Im Ortsteil Hohemark habe ich für meine letzte Nacht dann ein Hotel, wo erstmal die finnische Sauna für mich in Betrieb genommen wird.

Interessanterweise ist der Wellnessbereich auf Etage 7 (in einem 4-stöckigen Gebäude übrigens): 7. Himmel - wie bei den Römern eben.

Wie Cleopatra (oder Caesar) kann ich es mir dann da oben (ganz alleine) richtig gut gehen lassen und beim Ruhen nach den Sauna-Gängen von der Dachterasse in den malerischen Park des Hotels am Waldrand hinabschauen.

Nettes Ausspannprogramm für meinen letzten Abend auf dem diesjährigen Tourabschnitt...


Begegnungen:

- Peter (7wheels)

- Reh

- 2 Hasen

- Reh

- Libelle

- älteres einheimisches Ehepaar abends im Hotelpark


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