Samstag, 4. September 2021

Tag 43: Irrwege ins Glück

Siegen Herdorf
(33,0 km - 910 Hm auf - 920 Hm ab)

Der Tag beginnt, wie der vorherige endete: Mit viel Sonne. Hätte schlimmer kommen können.

Dank Heizung sind meine Klamotten über Nacht auch alle trocken geworden. Sogar die Socken - das ist ja üblicherweise der kritische Part (wobei ich sowieso noch ein paar trockene Wandersocken habe - optimierte Durchtausch-Strategie langjährig einstudiert: es soll ja schon Leute auf dem Weg nach Venedig gegeben haben, die einen ganzen Tag im Bett verbrachten, weil sie NICHTS mehr hatten, was nicht gerade in der Maschine war... ;-).

Am Bahnhof vorbei durchquere ich den Stadtkessel weiter gen Westen und bereits auf der anderen Seite der Gleise wird es ratz-fatz wieder grün und man ist innerhalb kürzester Zeit im Wald.

Heute gilt es vorerst sich um die Variable X11 Gedanken zu machen - wobei meine Gedanken heute eher um die aktuelle Unterkunft (Wirtin gestern krank) und die nächste (Wirt abgetaucht: Fuchskaute wie Kahler Asten nicht mehr bewirtschaftet; christliche Unterkunft stark verunsichert, ob rechtzeitig Engel zum Putzen auftauchen - weit und breit auch für den Vater zu Hause nichts aufzutreiben).

Möglicherweise sind das ein paar der Gründe, warum ich mich heute gar so oft verlaufe :-(

X11 sei übrigens nicht mit X11 zu verwechseln, auch wenn letzteres fast genauso alt und auch schwer aus der Welt zu schaffen ist.

Auf den letzten Höhen der Ausläufer des Sauerlands kann man immer wieder den Blick in die Ferne und die Täler schweifen lassen.

Das war vor einigen Jahren noch ganz anders, wie mir ein älterer Walker beim inne halten am Weitwander-Mahnmal erzählt.

Er geht dann ein ganzes Stück mit mir zusammen und kann mir auch noch den Unterschied zwischen der ROTEN (Hauptstrecke) und der GELBEN (Alternativ-/Zuführungsstrecken) Rothaar-Steig-Markierung erklären.

Immerhin konnte ICH am Vortag der Rothaar-Steig-Begeherin an ihrem VORLETZTEN Tag überhaupt mal das Symbol erklären: Gekipptes "R".

Ok, ok, das hatte ich im Wanderführer gelesen :-)

Aber auch an anderer sTelle soll das mit dem Trehen ja schon (kleine) Zeichen und Wunter bewirkT haben :-b

Den Aufruf zur Wasserspende für Jungbäume, wenn man das nächste Mal hier oben vorbeikommt, nehme ich wohlwollend zur Kenntnis: Ich gelobe - wie gewünscht - das nächste Mal zu gießen. 

Als wäre die Etappe mit knapp 30 Kilometern nicht schon lange genug, hänge ich (bzw. manchmal auch der Track, die Markierer oder das Schicksal) heute immer mal ein paar Extraschleif(ch)en dran.

Gibt aber schlimmeres :-)

Nachdem das ganze Internet davon voll ist - wie man sagt - auch hier bei mir mal ein (typisches) Katzenbild:

Nur wenige Meter weiter komme ich dann wieder ins Grübeln:

Ich dachte immer Wenden hätte etwas mit Radstand, Lenkeinschlag, Gesamtlänge und ähnlichem zu tun. Aber daß man da einfach Sitzplätze zählen kann...

Aber vielleicht auch einfach nur: Andere Länder, andere Sitten.

Ich habe nämlich mittlerweile das sechste Bundesland Rheinland-Pfalz erreicht.

Auf der anderen Flußseite wechselt dann auch die Markierungshoheit, was die Auguren auch als Beginn des Westerwalds (vielen Dank an Herrn Adler, meinen Erdkundelehrer aus der 5. Klasse, der mir auch dieses Mittelgebirge - zumindest namentlich - so nahe brachte, daß es auch ein paar Jahre später noch nicht vergessen ist und nun mit (Er)Leben gefüllt werden kann) interpretieren. 


Was mir hier auf alle Fälle schon mal SEHR GUT gefällt:

Es kommen Farben und Formen ins Spiel:

Hier ist nicht mehr alles so schwarz/weiß, eintönig, freudlos, trist - wie der Armin aus NRW.

Kurz hinter dieser beeindruckenden Kirche beginnt übrigens ein Kreuzweg.

Dieser Kreuzweg führt geradewegs ausgerechnet zum Druidenstein, mit dem viele heidnischen Bräuche und Sagen verbunden sind:

Aber früher wußte(n) die Kirche(n) eben noch geschickt zu integrieren.

Über die Höhen des Westerwalds (ebenso entfichtet, wie im Sauerland) geht es weiter gen Südost.

Als das Ziel (Herdorf) im Tal schon längst weithin sichtbar ist, wird es nochmal spannend: Markierung und Track gehen auseinander.

Ich vertraue den Einheimischen mehr als den Gästen aus der Fremde. Ein Fehler. Ein großer Fehler.

Man muß WIRKLICH so im Zick-Zack gehen und aus ca. zwei Kilometern Luftlinie locker fünf zu Fuß machen.

Manche der folgenden Straßenwendungen sind sogar noch bezeichnend bezeichnet:

Aber auch die längste Etappe hat mal einen finalen Schlußabstieg:


Meine Äquator-Taufe habe ich heute übrigens auch hinter mich gebracht.

Daß man die Welt in einen Nord- und einen Südteil einteilen kann, wissen ja noch die meisten.

Daß Deutschland auch nach der Wiedervereinigung von 1990 noch ein geteiltes Land ist, vielleicht viele.

Daß aber Deutschland (meines Wissens) das EINZIGE Land der Erde ist, DURCH das DER Äquator läuft, das ist einigen nicht bekannt.

Da fühlt man sich gleich wieder heimisch: Willkommen in Süddeutschland, wie es ein-ein-deutiger nicht definiert und (öffentlich) deklariert sein könnte:

Die EINZIGE Aldi-Süd-Filiale in den ganzen neuen Bundesländern befindet sich übrigens in Sonneberg (oder "Summbarch", wie die Einheimischen evtl. sagen würden).

Im Unterschied zu den Neustadtern würden sie sich wohl gerne mit dem Suffix "bei Coburg" schmücken.

Evtl. ist Aldi ja auch in dieser Sache der Politik schon ein wenig voraus und der Markus bekommt das irgendwann als Aktionsware im Sonderangebot ;-) 

Sogar ein Buch zum Äquator-Roadtrip von vier Jungs in einem alten Ford Mondeo gab es wohl schon: Der Aldi-Äquator


Begegnungen:

- 1 kleine Kröte (die NICHT Veronica hieß)

- 1 Eichelhäher

- 1 älterer Walker mit Rothaar-Steig-Details

- 1 kleine Libelle

- 1 Mountainbiker in der Mittagspause mit interessanten Fakten zur Gegend

- 1 Eidechse

- 1 Eichelhäher


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