Freitag, 3. September 2021

Tag 40: Wo ein Wille, da ein Weg

Bad Berleburg Bad Laasphe
(23,8 km - 540 Hm auf - 630 Hm ab)

Beim Aufstehen war heute noch blauer Himmel und Sonnenschein, aber als ich (wie hier üblich) spät in die Wanderung starte, zeigt sich der Himmel wolkenverhangen. Über Temperaturen von um 20°C und trockene Verhältnisse kann jedoch auch keiner klagen.

Durch ein Wohngebiet und dann über asphaltierte Flurbereinigungswege geht es bis kurz vor einen Nachbarort, ein Bogen über einen Wiesenweg führt in die Peripherie von Berghausen, wo das "x" des Wanderwegs so verblaßt ist, daß ich Abzweig verpasse. 


Zurück auf Los und diesmal links ab, um gen Raumland zu kommen, wo das Tal in der Sohle durchschritten wird.


Am Weg ab und an lustige Bemalungen an den schmucken Häuschen.


Am Rand der nächsten Ortschaft scheint die Markierung links weg, den Berg hoch zu zeigen. Soweit plausibel.
Aber nach einigen Metern realisiere ich am GPS, daß es eigentlich doch erst noch weiter geradeaus gegangen wäre. Umdrehen ist aber nicht so mein Ding, also wird improvisiert, um später wieder auf die E1-Route zu stoßen.

Kurz vor dem riesigen Steinbruch, der zu umgehen ist, treffe ich wieder auf die Original-Route:


Der Weg außen herum geht sehr direkt (schweißtreibend) den Berg hoch und dann im rechten Winkel links herum und wieder bergab.
Markierungen und Weg sind auf diesen Kilometern Mangelware, es fehlt quasi fast nur noch ein (kleingedrucktes) Schild: "Achtung: Weg kann Spuren von Wegspuren enthalten."

Immerhin wurden hier mal die Spinnweben klar markiert ;-)


Noch während ich im nächsten Ort diese ausgemusterten Hausrat-/Alltags-Gegenstände bewundere, dringen komische Stimmen an mein Ohr.
Sie klingen irgendwie beschwerdehaft, allerdings verstehe ich kein Wort. Liegt es an meiner Schwerhörigkeit ? An der Sprache ? - Mein üblicher Telefonjoker in Übersetzungssachen ist aber gerade am Häuschen in der Fränkischen schwer beschäftigt...


Als ich mich umdrehe, sehe ich, wer sich hier lautstark über meine Mißachtung beschwert:


Besonders die Zebra-Schweine finde ich ja lustig, wobei die Hängebauchschweinchen auch nicht zu verachten sind :-)

Gleich um's Eck kommt dann noch der Großteil der 7 Schafe neugierig auf mich zu getrabt.


So wenige Menschen wie mir heute begegnen, wenigstens die (Haus-)Tiere sind kontakt- und kommunikations-freudig.

Mit der Kommunikation ist das seit einigen Tagen so eine Sache. Die Wegweiser mit den flächigen Schildern sind einerseits ja sehr informativ (viele benannte Einträge, jeweils mit Entfernungsangabe), allerdings sind die Pfeilchen bei Kreuzungen mit bis zu 7 Armen und verdrehter Aufstellung des öfteren Mal eine Herausforderung, INSBESONDERE wenn dann NICHT am Zielwerk eine sichtbare Markierung angebracht ist.


Was dabei (für unsereins aus dem Süden) ebenfalls stark gewöhnungsbedürftig ist: Die Schilder sind üblicherweise auf Vorder- und Rückseite komplett unterschiedlich beschriftet: Derselbe Ziel-Weg hat also unterschiedliche Ziel-Angaben.
In der Folge gilt es jeden Wegweiser einmal zu umrunden, um nichts zu verpassen, was manchmal im Gebüsch gar nicht so einfach ist.

Mitten am Tag hadere ich mit der Routenführung: Ich wandere ja gerne, auch mal etwas längere Strecken von ein paar Hundert/Tausend Kilometern, aber so ganz ist mein Optimierungs-/Effizienz-Streben mir auch in diesem Bereich nicht auszutreiben: Es gibt so eine innere Schwelle (gleich neben selbigem Schweinehund ?) - deren Wert müßte man mal empirisch in einer Studie bestimmen - wo mir (große) Umwege (ohne großen Mehrwert) in keinem Verhältnis mehr zu (kurzen) weniger attraktiven Streckenabschnitten zu stehen scheinen.
Hier sollten ca. 200 Meter einsame Nebenstraße durch einen Weg 600 Meter außen herum, durch eine Senke und auf der anderen Seite wieder hoch umgangen werden. Leider habe ich das erst realisiert, als ich bereits 55 Meter der Route gefolgt war. Zurück mag ich aus Prinzip ja aber auch nie gehen, wie der geneigte Leser bereits mitbekommen haben könnte.
Was also tun ? 
Nach Studium der Karte dem Weg an der Abzweigung in die richtige Himmelsrichtung folgen und das fehlende Wegstück dazwischen wird sich schon auch irgendwie finden. Meine ich. Drei Reihen Stacheldraht und ein geladener Draht obendrauf wollen mir ernsthaft eine Sackgasse signalisieren. Fehlen ja nur noch Minenfelder, Selbstschußanlagen und Wachtürme.

Kontrollblick nach links, rechts und hinten.

Schluß mit lustig: Mit dem Dickkopf obenan, dem Rucksack hintendrauf, turne ich irgendwie über das Hindernis und über eine Wiese geht es Luftlinie weiter zum Weg, wobei sogar noch kürzere Strecke als über Schlenker der Straße rauskam.


Ein Vorteil des Fichten-Sterbens für Wanderer sind neuerdings immer wieder freie Ausblicke in die Täler: 


Am Rande eines Friedwaldes sprechen mich zwei ältere Damen hilfesuchend wegen eines Routenoptimierungsproblems an.

Da stellen wir uns mal dumm, schauen auf den Plan und gehen das ganz systematisch an:

Gegeben: Wir stehen (nachweislich) an P3. 
Gesucht: P2.
Lösungs-Ansatz: Folge X2 (Wege sind im Plan aber nicht beschriftet) von P3 zu P2.


Problem am Plan aus meiner Sicht: Die "grüne Grenze" (also etwas virtuelles) wurde über den ockerfarbigen Weg (etwas reales) gedruckt.

Herr, schmeiß' Hirn vom Himmel !

Ich kann den Damen (auch wenn ich Parkplatz oben am Berg nicht gesehen hatte) nur raten, dorthin zu gehen, wo ich herkomme (da IST ein Weg) und in ca. 3-2-1 Metern (ein Hoch auf die Technik) die Kreuzung zu erreichen, wo P2 sein müßte.

Weiterhin gilt (wovon ja viele Geocacher möglichsterweise ein Lied mögen singen können):
1. Meine ersten Ratschläge sind IMMER umsonst.
2. OFT augenscheinlich kostenlos.
3. MANCHMAL sogar gratis.


Das mondäne Schloß Wittgenstein (Internat, Gymnasium, angeschlossene Realschule und Reitschule) lasse ich rechts auf dem Hügel liegen und gehe daran vorbei in den Wald, hier im sog. Wittgensteiner-Land.


Nachdem ein Großteil der Höhendifferenz zur Stadt wett gemacht ist, geht es nochmal in einem Bogen in einen kleinen Gegenanstieg und um die besiedelten Flächen am Hang herum und durch den Wald.


Apropos Wald: Gestern hätte ich fast einen Unfall gehabt !
Das steckt mir irgendwie immer noch in den Knochen:
Ein Reh hätte mich - in voller Geschwindigkeit von rechts kommend - über den Haufen gefahren.

Ich sinniere über die Schuldfrage eines derartigen Schadens, denn schließlich hätte das beispielsweise mein rechtes Knie in einen wirtschaftlichen Totalschaden verwandeln können.
Gilt auch auf Singletrail-Waldwegen an uneinsichtigen Wildwechseln Rechts-vor-Links ? Oder sind Wildwechsel verkehrsrechtlich eher wie "Spielstraßen" (= verkehrsberuhigte Bereiche) oder Fußgängerzonen zu betrachten, von wo aus man NIE Vorfahrt hat ? - Allerdings findet sich dort in der Regel ein abgesenkter Bordstein als zusätzliches Merkmal, den es hier im Wald definitiv nicht gab.
Nun, abgesenkter Bordstein und der  Unterschied zum nicht-abgesenkten (auch lustig: das ist ja immer relativ (lokales Minimum) und nicht absolut (z.B. klar in Zentimetern quantifiziert) zu sehen - wo doch sonst in Deutschland immer alles so genau geregelt ist) ist vielen Menschen auch im "ruhenden Verkehr" (tolles Oxymoron !) nicht klar: Sonst würde unsere Einfahrt in der Klummgasse zu Hause nicht immer mal zugeparkt !

Aber zurück zum Thema: Wer hat verkehrsjuristisch Vorfahrt ?
Carina ? - Ist zwar nicht Deine Fachdomäne, aber evtl. kannst Du ja mal kurz einen Blick ins Verkehrsrecht werfen ;-)

Von der Schuld mal abgesehen: Ich wollte mir von dem rücksichtslosen Rowdy das Nummernschild notieren, aber ihr werdet es mir nicht glauben: Am Heck war nur eine große, weiße, leere Fläche, ohne angebrachtes Kennzeichen !

Na, das wäre eine Diskussion mit der Versicherung geworden... 

Augen auf im Straßen- und Waldweg-Verkehr !


Diese Bank an lauschigem Platze wird aber augenscheinlich nur selten genutzt, so wenige "Abnutzungsspuren" wie sie besitzt.

Der Trampelpfad durch den Wald endet dann gerade mal 50 Meter von meinem Quartier entfernt.

Planung ist alles.


Begegnungen:

- 1 Eichelhäher

- 3 Schwäbisch-Hällische Landschweine und  2 Hängebauch-Schweine

- 7 Schafe

- 2 orientierungslose Damen auf etwas anderer (zu Fuß) Parkplatzsuche


6 Kommentare:

  1. Hach, ich las gerade, dass Du jetzt in Bad Laasphe bist.
    Hier radelte ich 2016 (Deutschland von Ost nach West) auf dem Lahnradweg durch.
    Ich wünsche Dir angenehmes Wetter und weiterhin viel Freude an Deiner Wanderung. Viele Grüße von Stefan

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Stefan.

      Vielen Dank Wetter paßt.

      Auch in Deuz (nächstes Etappenziel westlich) in der Unterkunft kommen wohl immer wieder Lahn-Radweg-Fahrer unter.

      Cu K2.

      Löschen
  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

    AntwortenLöschen
  3. Bist Du sicher, dass ihr nicht doch zusammengestoßen seid? Oder ist die Erwähnung des Rehs an Tag 39 eine VorHERsehung (hier kreuzt das REH rückwärts) für die reale Begegnung an Tag 40???
    Laut Netz ist so ein Reh übrigens im Schnitt 2-3 Jahre alt, damit absolut strafunmündig. Mit seinem unschuldigen "Reh"-Blick wird es jede(n) RichterIn überzeugen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Keine Vorhersehung, sondern hier in Retrospektivbetrachtung ("gestern" !).
      Ist wie bei Herzomania: Genau lesen - oder Schummeln ;-)

      Ah, das mit dem Wissen über die Straffreiheit könnte das jugendliche Rowdytum erklären.

      Der rechtliche Vorfahrts-Aspekt würde mich aber immer noch interessieren: Hätte ja auch ein 30-jähriges Pony sein können...

      Löschen
    2. Dann doch improvisieren... (schummeln klingt zu negativ). Es bleibt dem Cacher immer überlassen zu bimpfen...
      Für Pferd mit Reiter gilt die STVO, aber was machst Du wenn dein Pony alleine unterwegs ist... https://www.bussgeldkatalog.net/pferde-im-strassenverkehr/

      Löschen