20 Kilometer bei 20°C war so eine typische Etappe im Landesinneren von Schleswig Holstein, aber nun geht es ja von Hamburg nach Niedersachsen und da ich noch dazu gestern mit heute in Summe den am Nord-Ostsee-Kanal durch Logistik verlorenen Tag herauslaufen möchte, stehen in der Realität 32 km bei 32°C an.
Frühstück ist am heutigen Freitag bereits ab 06:00 Uhr möglich und so bin ich passend eine Stunde später so gut wie abmarschbereit, trödle aber noch ein wenig bis zum terminierten Start um 07:15 Uhr.
Ich habe heute nämlich ein Blind Date. Bei der Dritten Meile am Bahnübergang. 09:00 Uhr.
Bis dahin sind es ca. 7 Kilometer (was übrigens nicht mal bei nautischer Meilenrechnung ... - aber lassen wir das ;-).
Bereits unterwegs hält mich mein Kontaktmann über seine Anreise per SMS auf dem Laufenden (das Handy ist heute ausnahmsweise am Morgen in Betrieb und greifbar) und ich gebe auch immer mal Restlaufentfernung durch.
Auch wenn Katinchen das jetzt nicht glauben wird, pünktlich um 08:45 Uhr kommt es zum großen Treffen, wobei ich kühles Bier (egal in welcher Umdrehungskategorie) trotzdem ablehnen muß.
Hans Losse, der 81-jährige Erfinder und Erstbegeher (zusammen mit seinem damals 15-jährigen Sohn) der L1-Alpenüberquerung von Garmisch nach Brescia (Beschreibung) wird mich heute ein Stückchen in die Fischbeker Heide begleiten !
Direkt nach dem Bahnübergang macht er mich noch auf einen Gedenkstein aufmerksam: Einer seiner Schüler (er lehrte früher Mathematik und Physik, u.a. auch an der Deutschen Schule in Teheran) war hier zusammen mit einem Kameraden bei jugendlichen Mutproben vom Zug erfaßt und ums Leben gekommen.
Martin aus Wien hatte mir die Mail-Adresse von Hans im Frühjahr zukommen lassen und seither standen wir in recht regem Mail-Verkehr. Manchmal inspiriere ich augenscheinlich eben auch ältere Menschen. Heute beispielsweise zog Hans das Medikament Wandern-Gehen (und das trotz der Hitze !) einem Arzt-Besuch vor - eine Entschuldigung mußte ich allerdings nicht ausfertigen ;-)
Eigentlich wollte Bernd aus Coburg ja dieses Jahr (auf meine Empfehlung hin), die als anspruchsvoll und Geheimtipp geltende L1-Route begehen - aber Corona machte auch dieser Alpentour einen Strich durch die Rechnung.
Wer es gerne exotischer mag: Im Iran (früher: Persien) sind noch zwei von drei Zweitbegehungen von Touren von Hans offen.
Zusammen spazieren wir gen Süden aus Fischbek hinaus und schlagartig ändert sich das Landschaftsbild: Heide.
Kurvige, hügelige, staubige Wege und Pfade ziehen sich durch Heide-Land mit einzelnen Baumgruppen. Noch hat die Heide nicht die volle Blüte erreicht, aber ich habe ja auch noch ein paar Tage auf den nächsten 223 Kilometern auf dem Heidschnuckenweg bis Celle, der nun über größere Strecken deckungsgleich zum E1 verläuft.
Richtig steil geht es zum Segelflugplatz hoch und danach gönnen wir uns erstmal eine kleine Pause im Schatten von ein paar Bäumen. Wirklich nett hier.
Mit den spannenden Geschichten von Hans aus den Alpen, aus dem Orient (als Student ist er mit einem Freund auch mal 3,5 Monate mit dem Rad durch Türkei, Persien und Afganistan für 1.000 Mark gereist - das waren aber auch noch andere Zeiten) und auch von Weit-Wander-Politik (verschiedene Vereine, die wohl dem Untergang geweiht sind), vergeht die Zeit wie im Fluge und so trennen sich an einer Kreuzung irgendwann wieder unsere Wege, da ich heute noch ein ganzes Stück Weg vor mir habe und Hans sich wieder in Richtung ÖPNV-Anbindung orientieren muß.
Lieber Hans, es war mir eine große Freude, daß Du ein Stück mit mir gegangen bist ! Wir bleiben in Kontakt, bleibt gesund und mal sehen, was aus unseren anderen Überlegungen noch so wird ... :-)
Daß ich mal am Tempelberg vorbeiwandere, hätte ich auch nicht gedacht:
Aber nein, es ist wirklich NICHT zu befürchten, daß ICH mal auf derartige Wander-Ideen käme (da fehlt wohl einfach der Glaube ans Ziel, von Liechtenstein nach Jerusalem zu gehen und dann wieder zurück): 4kmh.com
Die alpine Begehung des Einsiedler-Priesters war da 2018 schon eher nach meinem Geschmack: Via Alpina Sacra ;-)
Weiter geht es durch den Wald, was die ganze Etappe heute trotz der hohen Temperaturen doch ganz angenehm zu gehen macht.
Unterwegs treffe ich heute auch ein paar andere Wanderer, wobei das eher Tagesausflügler sind, wenn ich mir die süßen kleinen Rucksäckchen so ansehe.
Am Karlstein, einem Findling, den nicht die Weitwanderfüße, sondern ganz träge eine Eiszeit hierher verschleppt haben, nehme ich noch ein paar Extra-Aufstiegsmeter auf mich, um direkt dort zu pausieren, auch wenn ich zum E1 dann wieder ein Stück zurück muß.
Anschließend folgen lange Wege/Straßen durch den niedersächsischen Forst, bevor es aus dem Wald hinaus gen Osten auf die ersten größeren Siedlungen zugeht.
Begegnungen:
- 1 kleine Libelle
- 2 Graureiher
- 1 Storch
- Hans Losse (L1-Erfinder)
- 1 Blindschleiche
- 2 Tages-Heidschnucken-Wanderinnen
- kleine Waldmaus
Die Forststraße nach dem Karlstein ist zermürbend. Glücklicherweise häufen sich solche Kreuzwege nicht.
AntwortenLöschenPaßt zum Thema "Läuterung", welches mir eine ehemalige Katholikin am Vorabend meiner Anreise mit auf den (ersten Teil) Weg gegeben hat.
LöschenAh, mir dünkt just, die ehemalige Katholikin wird hier mal wieder vorbeigeschaut haben können...
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