Samstag, 8. August 2020

Tag 16: BalanceAKT

Buchholz in der Nordheide Undeloh
(29,3 km - 300 Hm auf - 290 Hm ab)

Nachdem man mir in der Unterkunft in Buchholz in der Nordheide im sog. Hotel (trotz gegenteiliger Aussagen bei der Reservierung) partout kein Frühstück verkaufen wollte und lieber auf die Bäcker vor Ort verwiesen hatte, die angeblich manigfaltig am Weg lägen (*pah* nichts als heiße Luft !), starte ich recht früh, um auch noch den kühleren Teil des Tages (27° hat es trotzdem schon) zu nutzen.

Zuerst gilt es Buchholz gen Westen zu durchschreiten. Als der Weg aber eine gar zu abenteuerliche Schleife (um einen See) macht, steche ich gerade nach Westen auf die Hauptroute durch. Hinter der Bahnlinie wird gen Süden abgebogen und eine Weile an den Geleisen im Wald entlang marschiert.

Nach einer Weile biegt die Markierung auf einen schmaleren Waldweg gen Südwesten ab und teilweise geht es auf Pfaden durch Hohlgassen, die schon fast ein wenig Canyon-Feeling aufkommen lassen.

Mittendrin treffe ich eine 4-köpfige Familie aus dem Hamburger Raum, die heute extra für ihre Tagestour auf dem Heidschnuckenweg bis Handeloh bereits um 05:00 Uhr aufgestanden waren, um sich einen Teil der angekündigten Hitze zu sparen. Respekt !

Bis nach dem Brunsberg werden wir uns heute noch ein paar Mal treffen.

Auf den aussichtsreichen Rücken geht es auch schon bald hinauf und oberhalb der Baumgrenze (dürfte hier bei ca. 80 Meter über Normalnull liegen - weitere Nullen wurden hier nicht vergessen) brennt die Sonne bereits um 09:00 Uhr ordentlich herunter.

Es hilft alles nichts: Auf dem Grat brauche ich erstmal eine kleine Pause, denn schließlich ist jetzt höchste Konzentration gefragt: Nicht nur, nicht abzustürzen (körperliche Balance !), sondern insbesondere um bei der Tagesaufgabe von Martin nicht schon wieder kläglich zu versagen (schlecht für die seelische Balance).

In südlicher Richtung geht es auf einen abgetrennten (Orts)Teil zu - ich muß an dieser Stelle deutlich betonen, daß ich damit (ausnahmsweise) mal rein gar nichts zu tun habe (bin ja hier auf Urlaub und nicht auf Geschäftsreise): Pferdekopf.

Nette Ortsnamen, haben sie schon im Norden, gell ? ;-)

Die nächste kleine Rast auf einem alt(-ehrwürdig)en Bank-Institut funktioniert nur, dank gut tarrierter (innerer) Balance: Nachdem diese Instanz augenscheinlich NICHT über den Auflagen-Sicherungs-Fonds für 100kg garantiert, muß der Rucksack auf alle Fälle schon mal auf dem Boden bleiben und wilde CumEx-Geschäfte oder ähnliches sollte man lieber auch nicht ausprobieren, es könnte sonst zum Zusammenbruch kommen:

Und dann müßte wieder der Steuerzahler einspringen !

Immer weiter durch den Wald (da sind die mittlerweile 34° immerhin gut zu ertragen) geht es bis in den Ort Handeloh hinein, wo ich am Mittag erstmal die örtliche Edeka stürme. Der Einkauf gestaltet sich ob der irgendwie für meine Ausrüstung zu kleinen Einkaufwägen etwas schwierig: Da passen gerade mal noch zwei Getränke hinein. Einen Bäcker gibt es nämlich auch nicht. Somit entfällt nach dem Frühstück auch das Mittagessen (Kenner der Materie und Siemens-Manager in Alabama wissen, wie so etwas enden kann: unangenehm, sehr unangenehm, ... Don't feed the trolls, BUT...).

Aber ein gesüßtes Milchprodukt ist ja fast wie ein halbes Schnitzel, so daß ich nicht aus Erschöpfung schlapp zu machen gedenke.

Im und nach dem Ort hat sich auch wieder ein Heidschnuckenkünstler ausgetobt und ich lerne die eine oder andere Gestalt der folgenden Art kennen:

Weniger als 2 Kilometer nach Handeloh, darf ich wieder in den Wald verschwinden. Der Schatten ist es sogar wert, ab und an Wegstücke mit diesem ganz feinen Heidesand sehr anstrengend gehen zu müssen.

Im langen Waldstück zwischen Wehlen und Undeloh bin ich dann wohl in einem speziellen FH gelandet (FFH: Flora-Fauna-Habitate kennt man ja, aber die Flora ist hier wirklich auf den ersten Blick nichts besonderes: Mischwald). Die spezielle Fauna sollte es aber in sich haben. SO einen Wald, habe ich noch nie erlebt !

Alles fängt damit an, daß ich in der Ferne an der Kreuzung am Waldrand, meine etwas kreuzen gesehen zu haben. Kann nicht sein.

Mutmaßlich bin ich dehydriert (dagegen nehme ich einen GROSSEN Schluck aus der Pulle), habe einen Sonnenstich (im Schatten und mit Kopftuch ?) oder der Saft zu Mittag war schon vergoren (Alkohol rieche ich aber eigentlich sofort).

Kann also wohl nur an der Brille im Rucksack (statt auf der Nase) liegen, daß mich mein Sehnerv SO zu täuschen vermag.

Als ich die Kreuzung erreiche, schaue ich nach links, nur um den Irrtum zu verifizieren und staune nicht schlecht: Ich sehe nicht nur EINEN splitterfasernackten Mann von hinten, sondern ca. 50 Meter davor läuft noch einer wegwärts und auf mich zu aus der Richtung kommt ein dritter.

In den nächsten 2 Stunden, in denen ich mich ca. 6 Kilometer durch diesen (speziellen) Wald bewege, werde ich insgesamt ein Dutzend alte, weiße Männer treffen. Von jenen ist ja im Moment im politischen Kontext viel zu lesen, wobei ich mir hier mit einigen Dingen bzgl. DIESER recht sicher bin:

1. Ku-Klux-Klan scheidet aus: Haben keine Hauben, sondern maximal Strohhut oder Mütze auf dem Kopf.

2. Skinheads scheiden aus: Sind zwar alle kahlrassiert, aber Haare haben einige noch auf dem Kopf.

3. Die meisten sind von der Infantrie (mit oder ohne Römer-Sandalen). Einige sind von der Kavallerie, die auf Ihren Drahteseln durch den Wald reiten.

Einen längeren Einsatz scheinen sie hier nicht durchzuführen: Viele sind VÖLLIG ohne Ausrüstung (Wasser, Täschchen, Rucksack) unterwegs. 

4. Unter Hypnose stehen sie wohl auch nicht: Ich treffe sie ausschließlich auf sandigen Abschnitten und nie auf meinen teils steinigen Wegen.

5. Scheint aber eine Art Einzelkämpferausbildung zu sein, denn ich sehe nie (größere) Grüppchen - ok, evtl. auch nur Corona-bedingt.

Je mehr ich über das Phänomen nachdenke, um so verwirrter bin ich.

Aber das Internet, findet ja für (fast) alles eine Erklärung: Selbsterfahrungsbericht über Nacktwander-Pfad

Mit meiner Vermutung bzgl. der Markierung "N" (wie "nackt") lag ich vor Ort also GOLDrichtig (übrigens lieber Kosmonaut: Gold = 4 ;-) und wer weiß, vielleicht kommt es ja auch nicht von ungefähr, daß in "Undeloh" irgendwie buchstabenverwürfelt ja "nude" (= nackt) enthalten ist ;-).

Als mir zwischendrin dann mal zwei (angezogene) ältere Damen entgegenkommen, bringt mich das schon wieder (fast) aus der Nudisten-Balance - war ich gar nicht mehr gewohnt. So schnell ändert sich die Kalibrierung unseres Bezugssystems - eine Prismen-Brille ist nichts dagegen.

Meine eigene innere Balance finde ich nach fast 30 Kilometern am Abend bei einer Pizza - endlich mal was zu Essen. Und ob die Bedienung angezogen war oder nicht, kann ich nicht mal sagen, war mir sowas von völlig egal und wäre mir wohl nichtmal aufgefallen, so dermaßen war ich auf das Brett mit der dampfenden Auflage fixiert :-)


Begegnungen:

- 1 Graureiher

- 4-köpfige Familie

- 1 Eidechse

- 1 Reh

- in der Summe ca. ein Dutzend Nackerte im Wald


10 Kommentare:

  1. Hachso, DA kommt das her:
    https://www.youtube.com/watch?v=vxBeMoJeKLY

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    1. 1. WOW ! - Das ist ja das Who is Who. In jung. Verdammt lang her !

      2. Und das ist auch DIE "Formel Eins", wo es nicht nur um ein Milliardengeschäft eigentlich ohne verbliebenen Unterhaltungswert geht.

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    2. P.S.: Die Urversion wurde übrigens in Schladming aufgenommen !

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    3. @vergissmeNET Du hast zu jeder Gelegenheit den passenden Song!

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    4. Ich hoffe nur, daß er hier nicht so schnell die Mundharmonika für mich erklingen läßt: https://m.youtube.com/watch?v=zIlT0wkW9Vg

      K2 :-)

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    5. Na schlimmer wäre Jobstis Blockflötenspiel ;-)

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    6. Liebe Suywen.

      Das gibt es - Gott sei Dank - wohl (hoffentlich) nur auf Band im Harz und nicht bei YouTube.

      Aber ich will es mal nicht beschreien ... ;-)

      K2.

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  2. Die Gunst der frühen Stunde nutzen ist übrigens auch im Süden derzeit empfehlenswert. Meine Tagesaufgabe heute heißt übrigens GC8X1WQ ...

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