Sonntag, 16. August 2020

Tag 23: Des Pudels Kern

Burgwedel/Fuhrberg Neustadt am Rübenberge/Otternhagen
(30,5 km - 70 Hm auf - 60 Hm ab)

Die schweren Gewitter des Vorabends sind vorbei und haben einem trüben Tag Platz gemacht.

Immerhin die Temperatur ist ein klein wenig gefallen und der graue Himmel ohne sichtbare Wolkenkonturen sieht nicht nach Regen aus.

Mmmh, Wetterkunde war nie mein Spezialgebiet, ist es auch bei der Wanderleiter-Ausbildung im Wilden Kaiser nicht geworden und wird es wohl auch nicht mehr werden.

Noch vor Erreichen des Ortsrandes von Fuhrberg fängt es an zu regnen.

Aber ich habe (manchmal) auch meinen Stolz: Rucksacküberzieher überstülpen, Kamera wegpacken und dann mal einen "ich-bin-doch-nicht-aus-Zucker" machen und Land gewinnen gen Westen.

Der Plan geht vorerst auf, aber kurz vor Erreichen der Autobahn (A7 - welch Frage ;-) fängt es richtig heftig zu regnen an.

Unter einer ausladenden Eiche ziehe ich denn doch mal Regenhose und Anorak über. Während sich nebenan am Autobahndreieck von A352 und A7 die Autos gen Norden stauen, spaziere ich gemütlich rechts vorbei und durch einen augenscheinlich frisch sanierten Tunnel auf die andere Seite.

Im Starkregen und bei Sichtung von vier begossenen Pudeln (zwei davon hatten auch vier Beine; reinrassig pudelig war allerdings augenscheinlich keine der vier), die plötzlich von links vor mir einscheren, verpasse ich meine Abzweigung, aber viele Wege führen nicht nur nach Rom, sondern auch nach Wennebostel - auch wenn einer davon jetzt unter der Autobahn nicht mehr künstlerisch beschildert ist.

Als ich die beiden Mädels mit ihren Hunden erreiche, müssen sie heftig lachen, als ich mutmaße, daß sie wohl keinen Regen erwartet haben. Sie sehen echt lustig aus: Als wären sie mit FlipFlops, Röckchen und T-Shirts baden gegangen. Die beiden Hunde haben dafür ihren Spaß am Wetter - endlich nicht mehr so heiß, so hundetrocken und staubig.

Jetzt muß ich aber wirklich mal links nach Süden abbiegen und so verabschiede ich mich denn auch gleich wieder.

An Scherenbostel geht es nur vorbei und eigentlich kommt nun ein traumhaft schöner Abschnitt, insbesondere weil es aufgehört hat zu regnen und ich den Anorak auch längst wieder weggepackt habe: Auf Singletrails geht es einige Kilometer durch den bezaubernden Mischwald mit vielen Buchen und Birken.
Die Sache hat nur einen Haken. Also eigentlich eine Heerschaar an Haken. Wobei Haken wiederum nicht wörtlich zu nehmen ist. Nennen wir es mal Bürstenwaschstraßen. Jungspunde von Birken haben den Weg immer wieder komplett zugewuchert und mit der ganzen Nässe des Regens kann man sich drehen, wenden und winden wie man will, man wird von links, oben und rechts jeweils immer wieder eingenäßt und abgebürstet.

Zwischendurch mal ganz klar, wo kommt man her: 
Wo geht man hin:
Für mich ganz persönlich: Was war. Was (hoffentlich) wird.

Das mit den 5 km/h wäre ja noch ok, aber noch ein Pferd auf den Ruckasck schnallen, da hört die Freundschaft nun wirklich auf:
Jenseits des Lönssees folgen dann wieder größere Forstwege und nachdem ich an Schadehop bzw. Ohlenbostel vorbei bin, dominiert erneut überwiegend offeneres Gelände. Die Sonne brennt nun auch wieder dermaßen vom Himmel, daß selbst die Leder-Schuhe schon wieder komplett abgetrocknet sind.

Am Landschaftsschutzgebiet Otternhagener Moor geht es dann am späteren Nachmittag dieser langen Etappe entlang und letztlich von Osten her in den Ort hinein, in dessen Mitte ich heute meine Unterkunft reserviert habe.

Unterwegs ist mir heute dann noch dieser  Geselle untergekommen, der mich daran erinnert, mal die Assoziationskette mit der Sache um die Wurst aufzulösen:

Wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich um einen trockenen, offenen Kieferzapfen. Damit kann man nicht nur als Eichhörnchen, sondern auch als Mensch eine Menge anstellen, wenn man weiß wie (und wo).
Als Kind/Teenager könnte man sich mit dem säckeweisen Sammeln z.B. Geld in gewissen Regionen Deutschlands verdienen oder als Erwachsener in jenen Breiten selbst auf einem Feuer u.a. aus Kiefernzapfen (genannt "Kühle") die ortsüblichen Bratwürste (Tradition seit mehr als 500 Jahren) braten.
Nachdem die Coburger Bratwürste wegen ihrer Zubereitung mit rohem Ei im Widerspruch zu allen möglichen lebensrechtlichen Vorschriften stehen, ist deren Herstellung auch einzig in Stadt und Landkreis Coburg erlaubt (dort Ticken die Uhren eben in mancherlei Hinsicht bis heute etwas anders) und zum besonderen Aroma tragen auch die Kiefernzapfen im Feuer bei.
Heute werden Coburger Bratwürste nach (Roh-)Gewicht beim Metzger abgerechnet, früher war die Bezahlung nach Stück üblich und damit die Würste nicht immer kleiner wurden (und die schlitzohrigen Metzger einseitig ihren Gewinn maximierten - wie das bei den alkoholfreien Getränken in der Gastromie ja in den letzten Jahren Unsitte ist), galt das (ungeschriebene) Gesetz, daß die Bratwurst in roher Form mindestens so lang zu sein habe, wie der Marschallsstab des (Stadt-)Heiligen Mauritius (in seiner dortigen Funktion seit dem 17. Jahrhundert: "Brodworschdmännla"), der auf dem Rathhausdach drohnt (mutmaßlich hätte man betrügerische Fleischhauer ins katholische Feindesland nach Kronach ("Flößer"), Lichtenfels ("Tümpelschöpfer") oder Bamberg ("Zwiebeltreter") abgeschoben).
Die Krux an der Sache: Niemand wußte so genau, WIE lang der Stab denn eigentlich ist. Erst seit die freiwillige Feuerwehr 1982 kurzerhand die neue Drehleiter zu einer entsprechenden "Übung" ans Rathhaus entsendete, wurden offiziell 31 cm festgestellt.

Vielen Dank für die qualifizierten Antworten/Zuschriften aus Hamburg & CO und die weniger sachdienlichen von den Färöern :-b

So genug Gelüste für die kulinarische ToDo-Liste der After-Show-Party, die auf meinen Reisen immer so entsteht, geweckt - von wegen "Drei inn am Weckla", besser 5 + 1 Bratwursthaltegerät (damit man sich Finger nicht verbrennt und einsäut) in Form maximal einer halben Semmel :-)


Begegnungen:
- 1 grüne Libelle
- 4 begossene Pudel (zwei davon mit vier Beinen)
- 2 grüne Libellen
- 1 Storch

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